Porträt: Der Mann, der die EU wie seine Westentasche kennt

Da kann man schon ins Grübeln kommen: Jean-Claude Juncker will mehr Europa
Da kann man schon ins Grübeln kommen: Jean-Claude Juncker will mehr EuropaEPA
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Mit dem Luxemburger Jean-Claude Juncker schickt die EVP einen ihrer erfahrensten Politiker ins Rennen um Wählerstimmen.

Wenn einer politische Erfahrung in und mit Europa hat, dann er. Jean-Claude Juncker (59) war 18 Jahre Premierminister Luxemburgs, bis seine Christlich-Soziale Volkspartei (CVS) im vergangenen Oktober die Regierungsmehrheit verlor. Von 2005 bis 2013 war er auch Vorsitzender und Krisenmanager der Eurogruppe - schließlich war er einer der Väter der gemeinsamen Währung.

Er habe mit seinen bescheidenen Mitteln versucht, eine Katastrophe zu vermeiden, beschrieb Juncker vor den Delegierten des Nominierungsparteitages in Dublin am Freitag diese Jahre. Juncker war lange Zeit immer der Jüngste. Mit 29 Jahren übernahm der frisch gebackene Jurist kurz nach Abschluss des Studiums in Straßburg den ersten Regierungsposten. Und dann regierte er immer weiter in immer wichtigeren Positionen - vor allem als Finanzminister, danach in einer Doppelfunktion als Premier- und Finanzminister. Irgendwann war aus dem Mann, den Bundeskanzler Helmut Kohl einst „Junior“ rief und den immer noch eine enge Freundschaft mit Kohl verbindet, einer der „großen alten Männer“ Europas geworden.

Politischer Alpharüde

Dass er nach einer obskuren Geheimdienstaffäre im Großherzogtum und folgenden Neuwahlen vom knapp 20 Jahre jüngeren Liberalen Xavier Bettel abgelöst wurde, warf für Juncker, den politischen Alpharüden des Großherzogtums und der CSV, die Frage nach der politischen und privaten Zukunft auf. „Europäische Politik wird zuerst in den Hauptstädten gemacht“, war einst sein Credo. Da war er noch Regierungschef. Mittlerweile findet er auch Gefallen an Amt und Würden des EU-Kommissionspräsidenten. „Ich will der Präsident der nächsten Kommission werden“, sagte er selbstbewusst vor seiner Nominierung in Dublin.

Juncker hat während drei Jahrzehnten vor, während und nach Hunderten von EU-Ministerratstreffen und Gipfelkonferenzen gelernt, wie Kompromisse zustande kommen - oder manchmal auch scheitern. Ein politischer Mensch war er schon als Kind. Sein Vater - Aktivist der christlichen Gewerkschaftsbewegung, Hüttenwerkspolizist und von den deutschen Besatzern Luxemburgs in die Wehrmacht zwangsrekrutiert - brachte dem kleinen Jean-Claude vor allem eines bei: Nie wieder Krieg! Er hielt den Sohn an, Zeitung zu lesen, bei Gewerkschaftstreffen zuzuhören und sich für Politik zu interessieren.

Kleine Länder, ganz groß

Das hat er getan. Juncker sieht Europa „als Haus, in dem es keinen Krieg mehr gibt und in dem man zusammensteht, weil wir immer weniger werden". Ein soziales Haus müsse das sein. Und eines, in dem es keine Erbfeindschaften mehr gebe. Weder zwischen Luxemburgs beiden großen Nachbarn Deutschland und Frankreich noch anderswo, beispielsweise auf dem Balkan, sagt er. Kleine wie Luxemburg könnten manches gelegentlich besser als die Großen: Beispielsweise Kompromisse finden, ohne in den Verdacht von Großmachtpolitik zu kommen.

Zu den großen Vorzügen des Krisenmanagers Juncker zählt, dass er mit allen reden kann: Nicht nur, weil er drei Fremdsprachen Deutsch, Französisch und Englisch gleichermaßen fließend beherrscht. Auch, weil Verständigung ihm ein Herzensanliegen ist. „Wir sind Harmonisierer aus Berufung“, sagt der Luxemburger. Und er stellt die Inhalte vor seine Person: „Ich bin nur ein kleiner Heiliger in einer großen Kirche.“

(APA/DPA)

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