Ewald Nowotny oder eine österreichische Karriere

Der Nationalbank-Gouverneur rechtfertigt gerade als Dienstleister der Republik, die er eigentlich als HAA-Eigentümerin beaufsichtigen sollte, das in ihn gesetzte Vertrauen.

Ewald Nowotny war am Sonntag Gast in der ORF-„Pressestunde“. Als was eigentlich? Als Chef der Taskforce zur Hypo Alpe Adria, die im Auftrag der Eigentümerin der Bank, der Republik Österreich, einen Vorschlag über die für die Eigentümerin günstigste Variante der Abwicklung ausgearbeitet hat? Oder als Gouverneur jener Nationalbank, der die Bankenaufsicht untersteht, also auch die Aufsicht über die Hypo Alpe Adria und ihre Eigentümerin, die Republik?

Solche Fragen gelten in Österreich als unfein. Wer will das schon so genau wissen? Anders als in zivilisierten Staaten ist es hierzulande nichts Besonderes, wenn ein Kontrollorgan Gutachten im Auftrag einer eigentlich von ihm zu kontrollierenden Institution anfertigt. Das ist Teil einer politischen Kultur, in der sich die zwei sogenannten staatstragenden Parteien SPÖ und ÖVP gemeinsam mit den Sozialpartnern und einigen großen Spielern im Finanz- und Industriebereich auf einen Modus Vivendi geeinigt haben, der da lautet: leben und leben lassen.

Darauf gründeten in den vergangenen Jahrzehnten viele glanzvolle Karrieren zwischen Wirtschaft und Politik. Die Karriere des Ewald Nowotny ist eine der glanzvollsten. Gekrönt wurde sie 2008 mit der Berufung zum Gouverneur der Österreichischen Nationalbank. Dass das der Lohn für den jahrzehntelangen Dienst an der Partei war, dementierte Herr Nowotny mehrmals heftig. Es handle sich bei ihm um keine parteipolitische Besetzung, „im Gegenteil“. Was immer das Gegenteil einer parteipolitischen Besetzung auch sein mag, außer einem Stück Sprachschrott auf der Wortmülldeponie, die der brave Soldat Nowotny im Lauf seiner Karriere angelegt hat. Der Posten des Gouverneurs sei „immer schon“ sein „Traum als Ökonom“ gewesen, sagt Ewald Nowotny. Schön, dass wir mit unseren bescheidenen Steuerleistungen mithelfen konnten, ihn zu erfüllen.

Als Mitglied des Finanz- und Budgetausschusses war der SPÖ-Parlamentarier Ewald Nowotny (1978 bis 1999) der wissenschaftliche Beschwichtigungshofrat der großkoalitionären Schuldenpolitik, nach dem Platzen des Bawag-Skandals diente er der Gewerkschaft als seriöses Gesicht auf dem virtuellen Körper eines Bankdirektors.

Es wäre, da hat der Nationalbank-Gouverneur recht, falsch, Ewald Nowotny nur als Parteisoldaten zu charakterisieren. Wirklich große Karrieren lassen sich im real existierenden Österreich nur machen, wenn man auch dem Klassenfeind zu Diensten ist, wenn es wirklich brennt. Zum Beispiel bei der Notverstaatlichung der kurz zuvor von der ÖNB als „not distressed“ qualifizierten Hypo Alpe Adria in der Nacht des 14. Dezember 2009.

Oder eben jetzt, in der Frage der Abwicklung der HAA. Dass Nowotny und seine Taskforce gegen eine Insolvenzlösung sind, ist klar: Das würde erstens mehrere österreichische Banken potenziell gefährden und zweitens einen radikalen Abbau des Operettenföderalismus samt seinen finanziellen Abartigkeiten erfordern. Nur dann könnte man den Vertrauensverlust, der durch den Ausfall der öffentlichen Hand als Garantiegeber entsteht, möglicherweise in einen Vertrauensvorschuss umwandeln. Möglicherweise.


Man hätte, sagt Herr Nowotny, mit der Abspaltung der toxischen Assets in eine Bad Bank längst beginnen müssen. Finanzministerin Maria Fekter habe das Problem verschleppt. Hätte er das seinerzeit so laut gesagt wie jetzt, hätte Frau Fekter eventuell Probleme bei der Verlängerung seines Gouverneursmandats gemacht. Also musste er im Interesse der Republik leiser sprechen. Einmal deutete er vor Journalisten an, dass die Regierung viel stärker auf die Schuldenbremse steigen müsste. Kurz darauf wurde in den Medien über eine potenzielle Nachfolgerin spekuliert.

Dieser Mann hat lange vor der jetzt begonnenen Fastenzeit begriffen, dass auch in Fragen des eigenen Standpunkts die Askese der Königsweg zum Wohlbefinden ist.

E-Mails an:office@michaelfleischhacker.at

Zum Autor:

Michael Fleischhacker (*1969) arbeitete als
Journalist bei der
„Kleinen Zeitung“
und beim „Standard“, ab 2002 bei der „Presse“.
Von 2004 bis 2012 war er Chefredakteur der „Presse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2014)

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