Markus Salcher gewann den Super-G. Über die Zeitmessung wird diskutiert. Die befürchtete Missachtung der Paralympics durch das russische Publikum ist übrigens nicht eingetreten.
Sotschi/Wien. Der erste Tag, die erste Goldene. Der zweite Tag, die zweite Goldene. Der Kärntner Markus Salcher gewann nach dem Abfahrtslauf auch den Super-G (stehend) der Paralympics in Sotschi. Diesmal wurde der Salzburger Matthias Lanzinger Zweiter, und der Russe Alexej Bugajew Dritter. Der Hang sollte, wie Salcher schon nach der Abfahrt lachend angemerkt hatte, als „Kärntner Hügel“ in die Geschichte eingehen. Vier Wochen zuvor hatte sich bei den Olympischen Spielen hier mit Matthias Mayer ebenfalls ein Kärntner vergoldet.
Damals wie heute geben die Schneeverhältnisse im Skigebiet Rosa Khutor oberhalb von Sotschi Anlass für kritische Anmerkungen. Der Hang ist unter den gegebenen tückischen Schneeverhältnissen vor allem den sitzenden Skifahrern mit ihren Monoskiern zu bucklig und zu steil. Am Sonntag schied im ersten Teil des Rennens jeder Zweite aus. Unter ihnen auch Roman Rabl. Er stürzte ebenso filmreif wie am Tag zuvor der US-Amerikaner Tyler Walker in der Abfahrt. „War wenigstens für die Zuschauer spektakulär“, sagte er bitter lächelnd im Ziel. Die Konsistenz des vielfach geschmolzenen, wieder gefrorenen und mit Tonnen von Spezialsalz zum Bleiben gezwungenen Schnees macht Skifahren zu einer Sache wie Autofahren mit abgefahrenen Reifen auf Schmierseife.
Streitfall Kategorisierung
Die Zusammenfassung von Athleten mit unterschiedlich schweren Behinderungen in ein Feld sorgt auch hier wie schon bei den Sommer-Paralympics, für Diskussionen. Es ist ein fast unlösbares Problem. Teilt man die Sportler nach ihren Behinderungsklassen ein, sind die Teilnehmerfelder (fast) zu klein. Fasst man mehrere Kategorien zusammen, leidet die Chancengleichheit.
Auch die den jeweiligen Athleten angepasste Zeitnehmung vermag das Problem nicht zu lösen. So wird Matthias Lanzinger mit Faktor 0,99 gemessen, Markus Salcher mit 0,87. Bei Lanzinger läuft die Uhr also wesentlich hurtiger. Auf der Strecke in Rosa Khutor hätte er rund zehn Sekunden schneller fahren müssen als Salcher. Er machte aber „nur“ 8,5 Sekunden gut. Auch Salcher, der mit den äußeren Verhältnissen durchaus zufrieden ist, räumt ein, dass es unter den gegebenen Umständen für Lanzinger nur sehr schwer möglich sei, ihn zu schlagen.
„Das System ist prinzipiell gut. Aber es ist nicht mehr zeitgemäß, es gehört weiterentwickelt“, erklärte Lanzinger. Die Einstufung der diversen Klassen führt beispielsweise dazu, so Lanzinger, „dass die Einbeinigen, die für mich die größte Leistung abliefern, praktisch keine Chance haben“. Eine Möglichkeit wäre, jede Strecke ihrer Schwierigkeit und ihrem Höhenunterschied nach zu kalibrieren.
Männlicher Behindertensport
Auch zeigt sich in Sotschi, dass der Behindertensport eine männliche Domäne ist. Warum das so ist, weiß zumindest in Österreich noch niemand. Ein Grund könnte, wie die ehemalige Gesundheitsministerin und ÖPC-Präsidentin Maria Rauch-Kallat vermutet, in der Mehrfachbelastung der Frauen durch Sport und Familie liegen. Gudrun Seiwald, ärztliche Leiterin der AUVA, des größten Sponsors des ÖPC, gibt freilich auch zu bedenken, dass weniger Frauen als Männer Risikotätigkeiten wie Motorradfahren oder Arbeiten auf Baugerüsten machen. „Wir haben einfach viel weniger Frauen in der Rehabilitation als Männer“, erklärte Seiwald.
Die befürchtete Missachtung der Paralympics durch das russische Publikum ist übrigens nicht eingetreten. Die auf eher langweilige Art pompöse Eröffnungsfeier wurde vom Publikum enthusiastisch aufgenommen. Russlands Präsident, Wladimir Putin, eröffnete die Spiele, wurde frenetisch beklatscht. Und am nächsten Morgen bewegten sich die Massen durch das olympische Dorf mit seinen pseudoreligiösen Bauten, vergleichbar pseudotraditionellen Häusern in Tirol, in Richtung Zielstadion.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2014)