Lothar, ein Lügner? Matthäus kratzt an seinem serbischen Denkmal

Bulgarian national soccer team coach Matthaeus is seen during their international friendly soccer match against Estonia in Antalya
Bulgarian national soccer team coach Matthaeus is seen during their international friendly soccer match against Estonia in Antalya(c) REUTERS (STRINGER/TURKEY)
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In seiner Autobiografie erhebt Lothar Matthäus Manipulationsvorwürfe und erzürnt damit seinen früheren Klub Partizan Belgrad. Sechs bis sieben Vereine sollen „Geschenke“ verteilt haben.

Belgrad. Nirgendwo war Wandervogel Lothar Matthäus als Trainer so erfolgreich wie in Serbien. Doch ausgerechnet bei seinem früheren Arbeitgeber Partizan Belgrad sorgt die serbische Übersetzung seiner Autobiografie „Ganz oder gar nicht“ wegen der darin erhobenen Manipulationsvorwürfe nun für späten Wellenschlag. Lothar lüge, ereifert sich Partizan.

Eigentlich war Lothar Matthäus bis vor Kurzem in Serbiens Hauptstadt Belgrad immer ein gern gesehener Gast. Zwar liegt sein einjähriges Trainer-Intermezzo beim Seriensieger Partizan Belgrad schon über ein Jahrzehnt zurück. Doch nicht nur der 2003 errungene Meistertitel, sondern vor allem die folgende Qualifikation zur Champions League haben dem gern belächelten Deutschen in dem Land seiner einzigen Trainererfolge ein ungewöhnlich hohes Ansehen beschert: Sobald bei Partizan oder Serbiens Nationalelf ein Trainer purzelte, geisterte bisher stets sein Name als möglicher Nachfolger durch die Gazetten.

Persona non grata in Belgrad

Doch seinen harmonischen Ausflügen ins Belgrader Nachtleben im Kreis alter Partizan-Freunde ist es nun wohl vorbei. Matthäus verbreite „Dummheiten“, ärgert sich sein früherer Spieler Saša Ilić. „Matthäus ist die längste Zeit mein Freund gewesen“, erbost sich der frühere Sportdirektor Nenad Bjeković: „Lothar hat Partizan nie aufrichtig geliebt. Ich werde ihn nie mehr anrufen.“ Der Grund für die späte Empörung über den umgänglichen Dampfplauderer: In seiner erst jetzt auf Serbisch erschienenen Biografie „Ganz oder gar nicht“ berichtet Matthäus über geschobene Spiele bei seinem früheren Arbeitgeber.

In Deutschland sorgte das bereits 2012 veröffentlichte Werk vor allem wegen seiner eher unfreiwilligen Sprachkomik und der Einblicke in Lothars Privatleben für Aufsehen. Und auch in Serbien stürzte sich die Boulevardpresse zunächst auf die Passagen, die das Scheitern seiner Ehe mit Modeschöpferin Marijana Kostić erklärten.

Doch in dieser Woche stolperten aufmerksame Leser über brisantere Passagen. Matthäus erzählt darin, wie ihm einer seiner Spieler die Hintergründe einer wunderlichen Niederlage gegen einen Abstiegskandidaten erklärt hat: Zwei Jahre zuvor habe der Gegner Partizan die nötigen Punkte für die Meisterschaft überlassen, nun habe der Klub „das Geschenk“ zurückgegeben.

Ähnliche Absprachen gebe es sicher auch in anderen Ländern, so der 51-Jährige. Doch für Serbien sei er sich sicher: Es gebe sechs, sieben Vereine, die für derartige Deals zu haben seien. Sowohl Partizan-Spieler als auch Verbandsfunktionäre weisen den keineswegs neuen Vorwurf empört zurück. Doch für die heimische Presse gilt als ausgemacht, über welches Match der deutsche Rekordnationalspieler spricht: Das im April 2003 überraschend mit 0:1 verlorene Partizan-Spiel gegen Lokalrivalen Rad Belgrad.

„Verklagt Matthäus“, fordert dennoch Serbiens Staranwalt Toma Fila: Der Deutsche bringe das „Image eines großen Klubs“ ins Gerede. Lothar lüge, versichert die Vereinsführung von Partizan empört – will jedoch wegen angeblichen Geldmangels auf eine zunächst erwogene Klage offenbar verzichten.

Einen Marketingtrick zur Erhöhung der Verkaufszahlen des Buches wittert Zoran Laković, Generalsekretär des Fußballverbands FSS, hinter den Enthüllungen des Franken. Der FSS erklärt sich für die Überprüfung der Vorwürfe allerdings nicht zuständig, da Serbien und Montenegro in der damaligen Staatsföderation noch einen gemeinsamen Verband gehabt hätten: Die Staatsanwaltschaft sei am Zug.

Ermittlungsunwillen

Ob Serbiens eher träge Justiz sich tatsächlich dazu aufraffen kann, Matthäus zu seinen Vorwürfen geschobener Spiele aus dem Jahr 2003 zu verhören, scheint bei ihrem bisherigen Ermittlungsunwillen in Sachen Fußballmanipulationen eher fraglich.

Keinen Zweifel an den Aussagen seines früheren deutschen Kollegen hat hingen Zoran Filipović, der damalige Trainer des Lokalrivalen Roter Stern: „Ich glaube Matthäus. Dieses famose Spiel wirkte für mich schon damals zweifelhaft – und geschoben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2014)

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