Nöstlinger: "Kein vernünftiger Mensch sagt heute 'Neger'"

Christine Nöstlinger
Christine Nöstlinger (c) Die Presse (Stanislav Jenis)
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Die Schriftstellerin bekräftigte im Gespräch mit Kinderpsychiater und Schriftsteller Paulus Hochgatterer ihre Ablehnung nachträglicher Textänderungen. Auch wenn sie dafür "viel Schimpf" einstecken musste.

Über Kinderbücher und politische Bildung sprachen am Mittwochabend Kinderbuch-Doyenne Christine Nöstlinger und der Kinderpsychiater und (Krimi-)Autor Paulus Hochgatterer in der Hauptbücherei in Wien - und am Schluss wurde es doch noch tagespolitisch. Nöstlinger wehrte sich erneut gegen nachträgliche Textänderungen in Kinderliteratur, auch bei historisch belasteten Wörtern. Jüngst hatten die Aussage des FPÖ-Politikers Andreas Mölzer, die EU sei ein "Negerkonglomerat" und das Schimpfwort "Neger" sei ein normales deutsches Wort, für Debatten gesorgt. "Kein vernünftiger Mensch sagt heute noch 'Neger'", findet Nöstlinger.

Aus Kinderbüchern streichen will sie solche Wörter trotzdem nicht. Sie habe "sehr viel Schimpf einstecken müssen", weil es ihrer Meinung nach reiche, mittels Fußnote darauf hinzuweisen, dass dies früher ein normaler Ausdruck war, sagte die Autorin. Aus der "Die Geschichte von den schwarzen Buben" aus dem "Struwwelpeter" das Wort "Mohr" zu entfernen, sei sinnlos, meint Nöstlinger. Nicht das Wort sei rassistisch, sondern die Geschichte an sich, die erkläre, dass Weiße die besseren Menschen seien. Kinderliteratur scheine von vielen Erwachsenen und Verlagen nicht als Literatur wahrgenommen zu werden, sondern als "pädagogische Handbücher". Man solle sich auf die Klugheit und Behutsamkeit der Autoren und Vorleser verlassen.

"Pädagogische Pillen eingewickelt in Geschichterlpapier"

In den 1960ern und 70ern habe "das ewige Gelaber über die heile und nicht heile Welt begonnen", schilderte Nöstlinger. Damals habe man ihr etwa erklärt, dass das böse Verhalten eines Kindes schon auf der nächsten Seite geahndet werden müsse, und nicht erst 40 Seiten später. Schließlich könnten sich Kinder nicht so lange konzentrieren. "Früher waren Kinderliteratur pädagogische Pillen eingewickelt in Geschichterlpapier", spitzte die Autorin zu.

Gerade zu Anfang ihrer schriftstellerischen Karriere habe sie politisiert, schildert Nöstlinger. "Die 'Feuerrote Friederike' ist ja quasi angewandter Kinder-Ernst-Bloch." In Nöstlingers 1970 erschienenem Erstling sei selbst der Kater "ideologisch sehr firm". Damals habe sie wirklich daran geglaubt, dass ihre Leser als Erwachsene in einer sozialistischen Welt leben werden, "so naiv war ich damals". In den 1980ern hätten sie und ihr Mann immer gesagt, ihre Ideen müssten überwintern. "Aber jetzt überwintern sie schon sehr lange."

"Frieden habe ich mir nicht vorstellen können"

Auf gezielte Fragen des Kinderpsychiaters Hochgatterer hin schilderte Nöstlinger zahlreichem Publikum ihre politische Sozialisation und welche Rolle das Geschichten erzählen und erfinden in ihrer Familie spielte. So spannte sie den Bogen von ihrer Kindheit im Krieg ("Frieden habe ich mir nicht vorstellen können") über ihre Ausbildung an der Akademie für Angewandte Kunst ("Richtig gut war ich nicht") bis zu ihrer Tendenz zu bösen Müttern. "Ich habe mir selbst zugeschaut", erklärte Nöstlinger. "Aber seit meine Töchter erwachsen sind, gibt es bessere Mütter". Gewohnt luzide und witzig, zeigte sich Nöstlinger bescheiden, auch bei der Bewertung ihrer literarische Karriere. "Wenn mich der erste Verlag nicht genommen hätte, dann hätte ich gedacht: Das kann ich also auch nicht." Bekanntlich kam es anders. Ein Glück.

Paulus Hochgatterer & Christine Nöstlinger

Das Gespräch zwischen Nöstlinger und Hochgatterer wurde von Büchereien Wien mit Grüner Bildungswerkstatt, Renner-Institut und Politische Akademie der ÖVP veranstaltet, weitere Veranstaltungen zu Literatur und politischer Bildung könnten laut Veranstaltern folgen.

(her/APA)

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