Reden kann fast jeder, sprechen nicht

Otto Clemens
Otto Clemens(c) Clemens Fabry/ Die Presse
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Ihre Stimmen begleiten viele Österreicher durch den Tag, zu Gesicht bekommt man sie aber eigentlich nie: Drei der bekanntesten Sprecheraus dem österreichischen Radio und Fernsehen im Porträt.

Otto Clemens' Leben war schon immer gespickt mit kuriosen Begebenheiten. Zum Beispiel jener, dass er in der Universumstraße aufgewachsen ist – und später viele Jahre lang die gleichnamige ORF-Dokumentationsreihe sprechen sollte. Oder jener, dass er seine Kindheit in der Wiener Brigittenau verbrachte, wo seinerzeit „einer der ärgsten Dialekte herrschte“ – später aber das geschliffene Hochdeutsch sein Markenzeichen werden sollte. Otto Clemens, Jahrgang 1946, ist „die Stimme aus dem ,Universum‘“.

Die Stimme als Kapital: Oft sind es Schauspieler, die im Nebenerwerb als Sprecher arbeiten, oder Journalisten, deren Stimmen so auffallen, dass man sie immer öfter als Sprecher engagiert. Sie vertonen Werbungen, Hörspiele, Dokumentationen, Filme. Ihr Klang ist vielen Österreichern so bekannt und vertraut wie die Gesichter aus den Fernsehnachrichten. Nur dass man sie, im Gegensatz diesen, eigentlich nie zu Gesicht bekommt.

Otto Clemens ist einer der Berühmtheiten seiner Zunft. Dass man ihn vor allem von „Universum“ kennt, findet er wieder ironisch, erzählt er in einem Tonstudio in Wien-Neubau. Denn eigentlich habe er mit „Universum“ begonnen, um das Klischee des „Portisch-Sprechers“ loszuwerden. Clemens lieh dem Journalisten Hugo Portisch seinerzeit für dessen Zeitgeschichte-Dokumentationen, die gerade neu aufgelegt wurden, seine Stimme. Ältere Österreicher würden ihn vor allem dafür kennen, sagt Clemens.


Keine Versprecher. Angelika Langs Stimme begleitet viele Österreicher durch den Tag: Die 49-Jährige spricht für die ORF-Reportagemagazine „Thema“ und „Report“, moderiert auf Radio Wien und spricht auf Ö1 regelmäßig das „Radiokolleg“ sowie das Reisemagazin „Ambiente“. So richtig „gelernt“ habe sie das eigentlich nie, erzählt Lang, die nach ihrem Studium als Journalistin und Moderatorin beim ORF anheuerte und Radio FM4 mitbegründete. Zunehmend wurde das Sprechen zu ihrem wichtigsten Standbein. Ihre Stimme kam von Anfang an gut an, nicht nur bei den Kollegen. Während ihrer ersten Jahre als Radiomoderatorin befragte eine österreichische Tageszeitung ihre Leser nach der angenehmsten Stimme. „Da habe ich überraschend gewonnen“, sagt Lang beim kleinen Braunen in der Aida am Praterstern, auf einem kurzen Zwischenstopp unterwegs zum ORF-Funkhaus, wo sie später noch „Miniversum“ einsprechen wird, die Kinderversion von „Universum“. Geschult habe sie ihre Stimme vor allem beim Singen, zu Hause für sich und im Chor.

Anders Kollege Otto Clemens. Er lernte seinen Beruf auf dem klassischen Weg, während der Schauspielausbildung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, erzählt er. Und mit viel Übung: Indem er sich täglich eine Tageszeitung vornahm und jeden einzelnen Artikel so oft hintereinander laut vorlas, bis er ihn perfekt beherrschte. Das habe ihm Konzentrationsfähigkeit und Sicherheit gebracht. Dafür leistet er sich heute so gut wie keine Versprecher mehr. Um eine einstündige Dokumentation einzusprechen, brauche er in der Regel eineinviertel Stunden.

Die Stimme als Marke. „Reden kann ja eh jeder“, hört Angelika Lang immer wieder, wie sie sagt. Das stimme aber nicht. Sprechen müsse man beherrschen. „Man kann nicht einfach nur erzählen, man muss sich dessen bewusst sein, was man erzählt“, so Lang. „Mit der Stimme Stimmung machen.“ Und gezielt mit dem Repertoire spielen, das man sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Das bestätigt Martin Loew-Cadonna, wie Lang Sprecher für den ORF, mitunter für das „Radiokolleg“. Loew-Cadonna ist gefragt und viel beschäftigt, sprach auch schon Werbungen für die „Presse“. „Man muss einen Text richtig aufnehmen, um ihn richtig sprechen zu können. Ablesen reicht nicht.“ „Textintelligenz“ nennt er das. Ein breites Allgemeinwissen sei jedenfalls von Vorteil, eine schöne Stimme auch, das reiche aber nicht: „Man muss den Hörer mitnehmen können.“ Auch Otto Clemens sagt: „Psychologie und Fantasie spielen immer mit.“

Die Stimme ist eine Marke, die man schützen muss. Das hat Loew-Cadonna mit der Erfahrung gelernt. Er sei von Anfang an gut gebucht gewesen und sagte so gut wie alles zu, was ihm angeboten wurde. Auch Aufträge für das Verkaufsfernsehen, „eine Art Teleshopping“, wie er der „Presse am Sonntag“ erzählt. Während dieser Zeit sei ihm aufgefallen, dass er weniger für niveauvolle Produktionen angefragt wurde. „Ich war zu wenig wählerisch“, sagt der gebürtige Südtiroler. Angelika Lang spricht aus diesem Grund überhaupt nicht für Werbungen. Die seien zwar sehr gut bezahlt, dafür gebe man aber jede Kontrolle darüber ab, wann, wo und wie oft sie ausgestrahlt würden. „Ich achte darauf, dass sich die Stimme nicht totläuft.“ Deutsche Unternehmen lassen ihre Werbungen oft eigens für den österreichischen Markt neu einsprechen. Hollywood-Filme werden dagegen fast ausschließlich in Deutschland synchronisiert. Dafür wäre Angelika Lang schon zu haben, ein offener Traum für sie ist, „einmal Jodie Foster zu synchronisieren“.

Wenn man eine so schöne Stimme hat, hört man sich dann eigentlich selbst gern reden? Martin Loew-Cadonna ist jedenfalls um kein Wort verlegen und schmückt seine Sätze gewählt aus. Es freue ihn aber vor allem, wenn das anderen gefalle. „Ich bin nicht so wahnsinnig begeistert von meiner eigenen Stimme.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2014)

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