Zertifikate: Spekulation oder Versicherung?

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Mit Zertifikaten kann man von steigenden, fallenden oder stagnierenden Märkten profitieren. Man kann Gewinne vervielfachen oder zugunsten einer Garantie auf hohe Erträge verzichten. Aber man muss wissen, was man will.

Wien. Im Vergleich zu Fonds führen Zertifikate hierzulande ein Schattendasein: 12,4 Mrd. Euro haben die Österreicher in solche Produkte investiert. Das ist nicht einmal ein Zehntel des Volumens, das bei Investmentfonds liegt. Eine Ursache dürfte die Komplexität dieser Produkte sein. Wer ein Zertifikat erwirbt, sollte eine klare Marktmeinung haben. Denn im Gegensatz zu Fonds kann man mit Zertifikaten auch auf fallende oder Seitwärtsmärkte setzen. Je nachdem, ob der Index oder die Aktie, die dem Zertifikat zugrunde liegt, stark steigt, leicht steigt, leicht fällt oder stark fällt, hat das unterschiedliche Auswirkungen. Bei einem Fonds braucht man lediglich zu hoffen, dass die enthaltenen Wertpapiere steigen, und zwar möglichst stark.

Der Informationsbedarf sei bei Zertifikaten tatsächlich höher, meint die Vorsitzende des Zertifikateforums, Heike Arbter von der Raiffeisen Centrobank. Doch würden sich Zertifikateanleger meist auch gut informieren. Und im gegenwärtigen Zinsumfeld würden diese Wertpapiere meist eine höhere Rendite ermöglichen als das Sparbuch. Auch um „Risikopapiere“ handle es sich kaum– jedenfalls nicht bei jenen Papieren, zu denen die Österreicher am liebsten greifen: Garantiezertifikate, Bonuszertifikate, Aktienanleihen oder Indexzertifikate. Risikoreiche „Hebelprodukte“ machten nur ein Prozent des heimischen Zertifikatevolumens aus.

Wie riskant sind Zertifikate also tatsächlich? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Zum einen gibt es Zertifikate in vielfältiger Ausprägung und mit sehr unterschiedlichem Risikoprofil. Das jeweilige Prospekt zu lesen, um einen Aufschluss über Risiko und Kosten zu bekommen, empfiehlt sich bei diesen Wertpapieren mehr als bei den meisten anderen Produkten.

Zum anderen sind Zertifikate Schuldverschreibungen von Banken, ähnlich wie Anleihen. Geht die Bank pleite, verliert man sein Geld. Anders als bei Anleihen gibt es meist keine Zinsen, sondern die Rückzahlung erfolgt nach anderen Kriterien, die sich von Produkt zu Produkt unterscheiden. Nach einer bestimmten Laufzeit (bei Produkten mit Laufzeitbegrenzung) oder jederzeit (bei Produkten ohne Laufzeitbegrenzung) erhält man sein Geld zurück– mit Zu- oder Abschlägen.

Die Höhe der Rückzahlung hängt von der Entwicklung eines bestimmten Basiswerts ab. Das kann ein Aktienindex, eine Aktie, der Preis eines bestimmten Rohstoffes oder Rohstoffkorbs etc. sein.

Nutzen in Seitwärtsmärkten

Nicht immer profitiert man am meisten, wenn der Basiswert steigt. Bei manchen Zertifikaten gewinnt man auch, wenn er fällt. Am häufigsten wird mit Zertifikaten auf Seitwärtsmärkte spekuliert. In Österreich erfreuen sich traditionell Garantiezertifikate größter Beliebtheit. Solche haben eine meist mehrjährige Laufzeit und versprechen Kapitalschutz. Wer das Zertifikat bis zum Laufzeitende hält, erhält wenigstens das Nominale (im Regelfall das investierte Geld abzüglich Spesen) zurück. Dafür gibt es im Fall, dass sich der Basiswert gut entwickelt, eine geringere Rendite, als wenn man direkt in den Basiswert investiert hätte.

Bei 73 Prozent des Zertifikatevolumens handelt es sich um Produkte mit vollem Kapitalschutz, vor zwei Jahren war der Anteil mit 85 Prozent wesentlich höher. Arbter erklärt den Rückgang mit den niedrigen Zinsen: Solche machen die Garantie teuer. Um ein Garantiezertifikat anbieten zu können, investieren die Banken im Hintergrund in Anleihen (für die Garantie) und Optionen (für die Rendite). Wegen der niedrigen Zinsen muss für die Anleihen derzeit so viel aufgewendet werden, dass für die Optionen wenig bleibt.

Die Anleger satteln zunehmend auf Bonuszertifikate um: Dabei ist der Gewinn nach oben meist begrenzt. Doch erhält man am Ende der Laufzeit sein Geld zurück plus einen Bonus– sofern der Basiswert während der Laufzeit nie unter eine bestimmte Barriere fällt. Tut er das, bekommt der Anleger nur den Gegenwert des Basiswerts (ohne Dividende).

Das bedeutet: Fällt der Basiswert leicht oder steigt er leicht, profitiert man am stärksten. Fällt der Basiswert unter die Barriere, verliert man. Das tut man mit dem Basiswert zwar auch, doch wird man dabei unter Umständen mit der Dividende getröstet, die beim Zertifikat wegfällt. Steigt der Basiswert sehr stark, gewinnt man, hätte aber besser in den Basiswert investiert. „Wer in ein Bonuszertifikat investiert, rechnet aber mit einem Seitwärtsmarkt“, sagt Markus Kaller von der Erste Group. Zertifikate seien damit als Depotbeimischung für Seitwärtsphasen geeignet. Stagnieren die Börsen, gewinnt man wenigstens mit dem Zertifikat. Steigen die Börsen stark, erhält man „nur“ den Bonus, dieser ist im Normalfall aber höher als Sparbuchzinsen.

Hoch oder sicher

Innerhalb der Bonuszertifikate hat der Anleger die Wahl zwischen Produkten mit tiefer Barriere, bei denen der Bonus geringer ausfällt, und solchen mit knapper Barriere, bei denen der Bonus höher ausfällt. Erstere bieten mehr Sicherheit, falls die Märkte nachgeben, Letztere mehr Ertrag, falls die Märkte anziehen oder stagnieren. Wie hoch die Spanne ist, die sich mit dem Bonuszertifikat abbilden lässt, gibt der Markt vor.

Hebelzertifikate sind wesentlich riskanter. Mit solchen kann man Gewinne und Verluste vervielfachen (oder auch umdrehen). Geht es zu stark in die falsche Richtung, wird man ausgestoppt und profitiert von einer späteren Markterholung nicht mehr.

Was Sie beachten sollten bei... Zertifikaten

Tipp 1

Emittentenrisiko. Zertifikate sind Schuldverschreibungen von Banken. Geht also die Bank pleite, erhält man sein Geld unter Umständen auch dann nicht zurück, wenn sich der Basiswert des Zertifikats blendend entwickelt. Bei Fonds handelt es sich dagegen um „Sondervermögen“, das im Fall einer Insolvenz der Fondsgesellschaft unangetastet bleibt.

Tipp 2

Kosten. Neben dem Spread (Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis) verursachen auch die Geschäfte im Hintergrund, die die Bank tätigen muss (etwa für Optionen), Kosten und schmälern die Rendite. Doch da Zertifikate meist nur vorgegebene Indizes oder Preise nachbilden, fällt keine Managementgebühr an– anders als bei aktiv gemanagten Fonds.

Tipp 3

Erwartung. Vor dem Kauf sollte man sich fragen, ob man eher mit steigenden, fallenden oder stagnierenden Kursen rechnet. Bonuszertifikate sind dann attraktiv, wenn es an den Börsen seitwärts geht. Geht es sehr steil nach unten, verliert man ähnlich viel wie mit Aktien, geht es stark nach oben, wäre man mit einem Direktinvestment meist besser dran.

Tipp 4

Garantie. Manche Zertifikate bieten vollen Kapitalschutz. Am Ende der meist mehrjährigen Laufzeit erhält man zumindest sein Geld zurück. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass die Garantie nicht gratis ist, sondern die Renditechancen schmälert. Und je niedriger die Zinsen, desto teurer ist die Garantie und desto unattraktiver sind Garantiezertifikate.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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