Thiem: Der Konkurrenz und seiner Zeit voraus

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Dominic Thiem ist als Nummer 79 der jüngste Spieler in den Top 100 der Weltrangliste. „Die Presse“ traf den 20-Jährigen und sprach mit ihm über Lob, spielerische Waffen und Daviscup.

Maria Enzersdorf. Wer Dominic Thiem gegenübersitzt, könnte leicht einen falschen Eindruck gewinnen. Der 20-Jährige ist ein ruhiger, bescheidener, stets freundlicher Zeitgenosse. In so mancher Gesprächssituation regiert sogar die Zurückhaltung, mit der es auf dem Tennisplatz jedoch schlagartig vorbei ist. Dann kehrt der Junge von nebenan seine andere Seite hervor, schlägt wild und doch gezielt auf die gelben Filzkugeln. Immer und immer wieder trägt Thiem unter strenger Beobachtung von Trainer Günter Bresnik an diesem Vormittag im Leistungszentrum Südstadt die gleichen Spielzüge vor. Der Schlusspunkt ist stets ein Volley. „Am Netz muss ich unbedingt noch besser werden, noch fühle ich mich dort nicht wohl“, sagt der Rechtshänder und ergänzt: „Wenn ich mein Volley-Spiel verbessere, wird mein Spiel noch unberechenbarer.“

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Unberechenbarkeit. Eine Eigenschaft, mit welcher der Rechtshänder schon in jungen Jahren gegenüber der Konkurrenz kräftig punktet. Neben dem mächtigen Aufschlag, der konstant über 200 km/h erreicht, verfügt Thiem mit Vorhand und einhändiger Rückhand über Grundschläge, deren Wucht schlicht beeindruckend ist. „Dadurch habe ich gegen jeden Spieler Waffen, die ich einsetzen kann“, nickt der gebürtige Wiener Neustädter, dessen Durchbruch sich schon 2013 angekündigt hatte. Bei den Heimturnieren in Kitzbühel und Wien drang er – mit einer Wildcard ausgestattet – bis ins Viertelfinale vor. In der Stadthalle verlangte er dem Franzosen Jo-Wilfried Tsonga ebenso alles ab wie im Februar 2014 dem schottischen Wimbledon-Champion Andy Murray in Rotterdam.

Lobeshymnen als Bestätigung

Die Top-Ten-Stars überhäuften den jungen und damals noch weitestgehend unbekannten Österreicher später ebenso mit Lob wie die internationale Fachpresse. Die offizielle ATP-Website widmete Thiem einen ausführlichen Artikel unter der Rubrik „Stars von morgen“, für Bresnik ist sein Schützling sogar „die heißeste Aktie auf dem Tennismarkt“. Dem Hauptdarsteller ist diese Begleitmusik nicht unangenehm, sie setzt ihn laut eigener Aussage auch nicht zusätzlich unter Druck. Ganz im Gegenteil.

„Ich höre solche Dinge eigentlich gern. Es zeigt mir, dass meine Arbeit honoriert wird, ich auf dem richtigen Weg bin.“ Der Weg soll lieber früher als später in die Top Ten führen, vom Erklimmen des Tennisthrons träumt freilich auch Thiem, der allerdings gerade erst damit begonnen hat, sich an die Anforderungen der großen und großteils luxuriösen Tour zu gewöhnen.

Denn zwischen dem jüngsten hoffnungsvollen Auftritt beim Masters-Turnier in Miami und der letzten Teilnahme an einem Future-Event liegen gerade einmal sieben Monate. Thiem erinnert sich: „Als Spieler musst du versuchen, so schnell wie möglich von den Futures wegzukommen. Dort schreibst du nur Verlust, wohnst in schlechten Hotels, spielst auf schlechten Anlagen, musst dich angefangen beim Transport um alles selbst kümmern. Erst wenn du die Challenger-Tour erreicht hast, siehst du ein Licht am Ende des Tunnels.“ Mit Challenger-Turnieren hielt sich Thiem nicht lange auf. Stattdessen beschritt er mit Jahresbeginn den weitaus beschwerlicheren Weg über Qualifikationen zu den großen Turnieren – in fünf von sechs Fällen mit Erfolg. Mitte Februar zählte er erstmals zum elitären Kreis der 100 besten Spieler, am Montag wies ihn die ATP auf Position79 aus.

Der Traum vom Tennisboom

Damit ist Thiem in Abwesenheit des noch rekonvaleszenten Jürgen Melzer beim am Freitag beginnenden Daviscup in Bratislava gegen die Slowakei Österreichs Nummer eins. Der 20-Jährige fiebert seiner Länderkampf-Premiere entgegen, wenngleich er betont: „Ich weiß nicht ganz, was mich erwartet. Es ist ja doch eine völlig neue Situation für mich.“ Den Daviscup hat Thiem als kleiner Junge vor dem Fernseher daumendrückend mitverfolgt, Melzer und Stefan Koubek zugejubelt. Auch von den legendären Muster-Zeiten inklusive unvergessener Duelle wie gegen die USA im Wiener Prater hat er gehört.

Thiem ist Österreichs größter Hoffnungsträger, wenn es um eine erfolgreiche Zukunft des Tennissports geht. Der Stellenwert dessen ist ihm ein persönliches Anliegen, aus dem eben erst aus der Pubertät entwachsenen jungen Mann sprechen reife Gedanken. „Tennis“, sagt Thiem, „steht und fällt mit den Erfolgen in diesem Land. Als Jürgen (Melzer, Anm.) 2010 bis in das Halbfinale der French Open vorgedrungen ist, war er auf allen Titelseiten, das Fernsehen hat übertragen.“ Eine schöne Vorstellung, auch für den logischen Nachfolger Melzers. „Ich will einen kleinen Boom auslösen, damit Tennis wieder eine große Nummer wird.“

AUF EINEN BLICK

Dominic Thiem, am 3. September 1993 in Wiener Neustadt geboren, ist als 79. der derzeit jüngste Spieler in den Top 100 der Weltrangliste. In Abwesenheit von Österreichs Nummer eins, Jürgen Melzer, führt der Niederösterreicher von Freitag bis Sonntag das heimische Daviscup-Team beim Duell der Euro-Afrika-Zone in der Slowakei an. Mit einem Erfolg würde die Mannschaft von Kapitän Clemens Trimmel im Herbst um die Rückkehr in die Weltgruppe spielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2014)

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