Grüne attackieren Plastikkonzern

Christiane Brunner
Christiane Brunner(c) Clemens Fabry/ Die Presse
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Gemeinsam mit Rohkunststoff sollen am Standort Schwechat auch hochschädliche Substanzen in die Donau gelangt sein. Substanzen, die andere Betriebe ebenfalls ins Abwasser leiten.

Wien. „Das sieht nach einer großflächigen, systematischen Verschmutzung aus.“ Nach den „Presse“-Enthüllungen über die Einleitung von Industrieplastik in die Flüsse Schwechat und Donau greift nun die grüne Umweltsprecherin im Nationalrat, Christiane Brunner, den Chemiekonzern Borealis frontal an. Gemeinsam mit Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen in Niederösterreich, erhob sie am Freitag schwere Vorwürfe.

Basis dafür ist eine Abfrage im online und kostenlos einsehbaren Schadstofffreisetzungsregister. Aus den Einträgen geht hervor, dass das Unternehmen am Standort Schwechat in den Jahren 2010 und 2011 die hochschädlichen Substanzen Tributylzinn und DEHP „verloren“ hat. Die beiden Chemikalien kommen in der Kunststoffherstellung (Stabilisator bzw. Weichmacher) zum Einsatz. Beide greifen das menschliche Hormonsystem an, können im Extremfall zu Unfruchtbarkeit führen.

Die Politikerinnen wollen bei der Staatsanwaltschaft deshalb eine Sachverhaltsdarstellung wegen vorsätzlicher Umweltverschmutzung einbringen. Nicht nur gegen Borealis, sondern auch gegen unbekannte Täter. Neben Borealis dürften nämlich noch weitere Unternehmen Plastikrohstoff in die Donau eingeleitet haben, bzw. nach wie vor einleiten. Diesen Schluss lassen Messungen von Forschern der Universität Wien zu.

Brunner und Krismer werfen den niederösterreichischen Wasserbehörden zusätzlich vor, seit 2010 vom Zwischenfall bei Borealis gewusst, aber nichts unternommen zu haben.

Nach „Presse“-Recherchen lässt sich zumindest dieser Vorwurf nicht bestätigen. Bereits einen Tag, nachdem ein Mitarbeiter des Nationalparks Donau-Auen einen Teppich von Industrieplastik am Fluss angezeigt hatte, inspizierte eine Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung die Borealis-Fabrik auf dem Gelände der OMV-Raffinerie. Die anschließenden Sanierungsarbeiten wurden ebenfalls von dieser Behörde beaufsichtigt und abgenommen. Der gesamte Vorgang ist in einem Akt dokumentiert. Zwar unterblieb eine amtliche Information an die Öffentlichkeit, vorgeschrieben war eine solche im konkreten Fall jedoch auch nicht.

Aber woher stammen nun die Messungen von DEHP und Tributylzinn? Und stehen diese in direktem Zusammenhang mit dem Verlust des Rohplastiks? Definitiv nicht. Tatsächlich sind diese Substanzen gar nicht in Polypropylen und Polyethylen, aus dem das ausgespülte Granulat bestand, enthalten.

Quelle der Giftstoffe unklar

Trotzdem hat ein externes Labor 2010 und 2011 minimale Verunreinigungen gemessen. Dabei waren 34 von 36 Untersuchungen sauber. In zwei jedoch fand man 2,2 bzw. 3,5 Mikrogramm pro Liter Abwasser. Auf Basis dieser beiden Werte musste das Unternehmen, so ist es Vorschrift, den Gesamtausstoß auf ein ganzes Jahr hochrechnen, was 1,2 kg DEHP und 2,02 kg Tributylzinn entspricht. Tatsächlich dürfte es aufgrund der überwiegend negativen Proben deutlich weniger gewesen sein.

Zum Vergleich: Beide Substanzen werden in ganz Österreich auch im Wasser zahlreicher Kläranlagen gemessen, das diese nach der Aufbereitung wieder in öffentliche Gewässer einleiten. Und das in viel größerer Menge als am Borealis-Standort in Schwechat.

Was folgt daraus? Was „Die Presse“ in zwei vorangegangenen Berichten bereits angedeutet hatte, wurde am Freitag offiziell. Ab nächster Woche beginnen Umweltministerium, die Länder Niederösterreich, Oberösterreich und Wien mit der Ausarbeitung eines Plans zur genauen Analyse der Plastikverunreinigung in der Donau. Die ersten Zwischenergebnisse sollen im Sommer vorliegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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