Krim-Drehbuch: Greift Putin nach der Ostukraine?

Moskau, Krim, Russland, Ukraine, Putin
Moskau, Krim, Russland, Ukraine, Putin(c) REUTERS (STRINGER)
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Moskau-treue Aktivisten riefen im ostukrainischen Donezk eine unabhängige Republik aus und die russische Armee zu Hilfe. Kiew will nun Separatismus unter Strafe stellen.

Moskau/Donezk. In der Ostukraine verfolgen pro-russische Kräfte zunehmend ein Szenario wie auf der Krim. Nachdem in der Nacht auf Montag Demonstranten öffentliche Gebäude in Lugansk, Charkiw und Donezk besetzten, riefen sie am Nachmittag in der besetzten Gebietsverwaltungsbehörde von Donezk eine „Volksrepublik“ aus, die sich von der Zentralregierung in Kiew unabhängig erklärte. Auf der Straße versammelten sich einige tausend Menschen; die russische Hymne ertönte. Es waren „Putin, hilf!“-Rufe zu hören. Im Kurznachrichtendienst Twitter sprachen Moskau-treue Aktivisten schon von einem „Russischen Frühling“.

Wer sich hinter den pro-russischen Separatisten verbirgt, darüber herrschte gestern Nachmittag noch keine Klarheit; Korrespondenten vor Ort zufolge handelt es sich dabei nicht um lokale Abgeordnete. Offiziellen Angaben zufolge haben die ukrainischen Sicherheitsorgane in Donezk bereits die Identität der Teilnehmer festgestellt. Übergangspräsident Alexander Turtschinow sprach am Montag von einer „Spezialoperation der Russischen Föderation“. Er kündigte eine Anti-Terror-Aktion von ukrainischer Seite an. Innenminister Arsen Awakow reiste nach Charkiw; auch in Donezk und Lugansk trafen Mitglieder der Kiewer Regierung ein. In Lugansk schnitt man die Aktivisten, die am Sonntag das Gebäude des Geheimdienstes SBU besetzt hatten, von Wasser und Strom ab.

Die Donezker Separatisten kündigten an, bis zum 11. Mai ein Referendum durchführen zu wollen. Darin soll über deren Beitritt zur Russischen Föderation abgestimmt werden. Die Separatisten wandten sich zudem an den russischen Präsidenten, Wladimir Putin. Putin solle vorübergehend russische Friedenstruppen in den Osten der Ukraine entsenden. Moskau hat die gesetzlichen Grundlagen dafür bereits geschaffen: Am 1. März hatte der russische Föderationsrat Putin die Zustimmung zum Einsatz bewaffneter Truppen auf dem Territorium der Ukraine erteilt. Zuvor hatte der abgesetzte ukrainische Präsident, Viktor Janukowitsch, um militärische Unterstützung gebeten. In der Folge fand am 16. März auf der Halbinsel Krim ein umstrittenes Referendum über den Beitritt zur Russischen Föderation statt. Der von Moskau einseitig vollzogene Anschluss wird international nicht anerkannt.

Auf die Ankündigung der Separatisten gab es am Montag noch keine Reaktion aus Moskau. Bei einer Rede vor dem Vorstand des Inlandsgeheimdienstes (FSB) forderte Präsident Putin jedoch der aktuellen Situation wegen eine Verbesserung der Effizienz und der Ausrüstung des Geheimdienstes.

„Anti-ukrainischer Plan“

Die ukrainische Regierung zeigte sich besorgt. Premierminister Arsenij Jazenjuk sieht Moskau als treibende Kraft hinter den Besetzungen der Regierungsgebäude in der Ostukraine. „Ein anti-ukrainischer Plan wird ausgeführt, der dazu führen soll, dass ausländische Truppen die Grenzen überqueren“, sagte Jazenjuk während einer Regierungssitzung in Kiew am Montag. Zwar finden in der Ostukraine derzeit nicht mehr so große Proteste wie vor etwa einem Monat statt. Die radikalen Gruppierungen scheinen mit ihren Ideen die breite Schicht der Bevölkerung nicht ansprechen zu können. 1000 bis 1500 radikale Aktivisten mit russischem Akzent seien jedoch in der Region geblieben und würden sich mit ausländischen Spezialkräften koordinieren, sagte der Premier.

Seit der Absetzung von Ex-Präsident Janukowitsch kommt es im östlichen Teil der Ukraine immer wieder zu pro-russischen Demonstrationen und vorübergehenden Besetzungen von Amtsgebäuden. So auch am Sonntag, als in Lugansk, Charkiw und Donezk für eine stärkere Föderalisierung des Landes demonstriert wurde. Moskau fordert eine entsprechende Verfassungsreform von Kiew.

Die Regierung in Kiew will nun gegen die Separatisten härter vorgehen: Das Parlament berät am heutigen Dienstag über eine entsprechende Gesetzesverschärfung. „Ein Szenario wie auf der Krim werden wir nicht zulassen“, kündigte Übergangspräsident Turtschinow an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2014)

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