Algerien: Präsident feiert sich als Wahlsieger

Algerian Interior Minister Belaiz announces President Bouteflika's re-election victory to the media in Algiers
Algerian Interior Minister Belaiz announces President Bouteflika's re-election victory to the media in AlgiersREUTERS
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Der von einem Schlaganfall gezeichnete Machthaber Abdelaziz Bouteflika will einen „Erdrutschsieg“ erzielt haben. Die Opposition spricht von einer Wahlfarce.

Kairo/Algier. Wie erwartet hat Amtsinhaber Abdelaziz Bouteflika die Präsidentenwahl in Algerien nach ersten Meldungen gewonnen und bleibt weitere fünf Jahre Staatschef. Nach Angaben aus seiner Umgebung errang der von einem Schlaganfall gezeichnete 77-Jährige einen „Erdrutschsieg“ über die fünf Gegenkandidaten. In der Hauptstadt Algier veranstalteten Anhänger Bouteflikas, der seit 1999 an der Spitze des Landes steht, Jubelfeiern, hupende Autokorsos zogen durch die Straßen. Sein wichtigster Herausforderer, Ex-Premierminister Ali Benflis, dagegen sprach von „groß angelegtem und systematischem Wahlbetrug“.

Geschönte Zahlen bei Wahlbeteiligung?

Nach Angaben des Innenministeriums lag die Wahlbeteiligung bei 51,7 Prozent und damit um ein Drittel niedriger als vor fünf Jahren, als sie mit 74,5 Prozent angegeben worden war. Damals, 2009, hatten amerikanische Diplomaten laut WikiLeaks die tatsächliche Beteiligung auf höchstens 25 bis 30 Prozent taxiert. Algeriens korrupte Administration ist dafür bekannt, die Wahlurnen in den Stunden vor der Auszählung zum Nachteil der Opposition mit Millionen illegaler Stimmzettel „zu stopfen“. Die Islamisten und eine Reihe kleinerer liberaler Parteien haben daher die Präsidentenwahl bereits im Vorfeld als Farce abgetan und ihre Mitglieder zum Boykott aufgerufen.

Im Rollstuhl zur Stimmabgabe

Der Wahltag war überschattet von schweren Jugendunruhen in der Kabylei östlich von Algier. Die Proteste richteten sich gegen die politische Erstarrung im Land, Korruption und Arbeitslosigkeit. Bei Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei gab es mehr als 70 Verletzte. Die Menge hatte versucht, in Wahllokale einzudringen und Wahlurnen in Brand zu setzen. An die Hauswände sprühten sie Graffiti wie „Nein zu Bouteflika, nein zu Benflis, ja zum Weg in eine Demokratie“. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf dem Regime in Algier erneut vor, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit der Bürger zu missachten und öffentliche Kritik systematisch zu unterdrücken.

Seit dem Schlaganfall Bouteflikas im Frühjahr 2013 gibt es erhebliche Zweifel, ob der 77-Jährige überhaupt noch amtsfähig ist. Er kann nicht mehr gehen, am Donnerstag gab er seine Stimme stumm lächelnd und im Rollstuhl sitzend ab, der erste Auftritt des invaliden Präsidenten in der Öffentlichkeit seit zwei Jahren. Im Vorjahr hatte er sich monatelang einer Behandlung in Paris unterzogen. Den Wahlkampf hatte Bouteflika von seiner Dienstvilla aus verfolgt, wo er rund um die Uhr gepflegt wird. Als Programm für seine kommende Amtszeit ließ er seinen politischen Sprecher einen Brief an die Bevölkerung verlesen, in dem er seinen 38 Millionen Landsleuten eine „breite Demokratie“ versprach.

Lediglich drei- oder viermal hat Bouteflika seit seiner Rückkehr aus der Pariser Militärklinik Val-de-Grâce im Sommer 2013 ausländische Staatsgäste zu Mini-Audienzen empfangen, zuletzt US-Außenminister John Kerry. Bei dem Treffen starrte Algeriens Präsident mit gläsernen Augen vor sich hin, sprach undeutlich mit zittrigen Lippen ein paar Worte, die seine Hofschranzen dann laut und deutlich wiederholten und zu ganzen Sätzen ergänzten.

Die mächtige Clique im Hintergrund

Seine innenpolitischen Kritiker werfen Bouteflika vor, nur noch eine Marionette der eigentlich Mächtigen zu sein, die seit der „dunklen Dekade“ des Bürgerkriegs mit 200.000 Toten hinter den Kulissen die Fäden ziehen. „Le Pouvoir“ oder „die Macht“ nennt die Bevölkerung diese namen- und gesichtslose Clique aus Generälen, Geheimdienstlern und staatlichen Wirtschaftsbossen, die die Reichtümer des nordafrikanischen Mittelmeeranrainers kontrollieren.

In den 52 Jahren seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich hat Algerien keine nennenswerte Industrie entwickelt, das Land hängt praktisch vollständig von seinen Öl- und Gaseinnahmen ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2014)

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