26. Osterfestival Tirol: Mit Luzifer aus der Nacht zum Licht

(C) Osterfestival/Stemmer
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Im Lauf der Karwoche begeisterten getanzte Kämpfe, ein in völliger Dunkelheit aufgeführtes Streichquartett und barocker Auferstehungsglanz.

Welch heller Lichtschein bricht in die Nacht der Unterwelt hernieder?“, fragt misstrauisch der Teufel, der nach dem Tod Jesu siegesgewiss in die Hölle zurückgekehrt war. In erregten Zweiunddreißigstelketten ruft er mit finsterer Bassstimme seine Dämonen zum Krieg, beschwört mit zerklüfteten Gesangslinien die Mächte der Dunkelheit. Doch Christi Auferstehung kann er nicht verhindern: Verzweifelt stürzt er sich in den tiefsten Abgrund – komponiert mit einem polternden Fall über zwei Oktaven.

Lucifero heißt er im Libretto zum italienischen Oratorium „La resurrezione“ des 23-jährigen Georg Friedrich Händel, uraufgeführt am Ostersonntag 1708 in Rom – vor einem prächtigen Bühnenbild, das die Auferstehung im Kreise der handelnden Personen zeigte. Im Glanz von Trompeten, Oboen und Violinen, daran ließ Samstag im Congress Innsbruck die schwungvoll-virtuose Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner beim barocken Finale des Osterfestivals Tirol keinen Zweifel, wird Luzifer als Fürst der Finsternis überwunden. Julia Böhme (Cleofe) und Susanne Ellen Kirchesch (Maddalena) untermauerten es stimmlich am schönsten. Luzifer heißt jedoch: Lichtbringer. In einer Seitenkapelle der Innsbrucker Jesuitenkirche wird der heilige Franz Xaver, der im 16. Jh. Asien zu missionieren begann, als „Lucifer orientis“ verehrt . . .

Zu Weihnachten wie Ostern stützt sich auch die christliche Mythologie ganz wesentlich auf den archetypisch als „erlösend“ empfundenen Übergang von Nacht zu Licht. So schien es nur passend, dass sich in der Karwoche im reichhaltigen Osterfestival-Programm eine Art Schwerpunkt zum Thema Finsternis ergab, bei dem gleichsam die Facetten der ambivalenten Figur des Lucifer erkundet wurden. Radikal bei Georg Friedrich Haas, dessen drittes Streichquartett „In iij. Noct.“ (2001) in völliger Dunkelheit aufzuführen ist: Die Partitur besteht aus Noten und verbalen Anweisungen, die vier Musiker sitzen isoliert rund um das Publikum, können sich nur über die Musik verständigen.

Prometheus-Performance nach Rilke


Sie reagieren aufeinander, lösen durch bestimmte Signale Entwicklungen aus, in die sie die anderen hineinziehen können, vieles aber bleibt offen, entsteht erst im Augenblick der Aufführung. Im wirklich stockfinsteren Salzlager Hall spitzte das Publikum die Ohren, als das fulminante Kairos Quartett in schillernden Instrumentalfarben von kraftvollen Wogen zu zarter Subtilität wechselte, ohne dass die Spannung je abgerissen wäre – schon gar nicht beim auratischen Gesualdo-Zitat gegen Ende: ein intensives, leider nur 45 Minuten währendes Erlebnis.

Die von Rilkes „Duineser Elegien“ inspirierte Performance „?légie“ des Ballet National de Marseille erinnerte dagegen im eindringlich inszenierten Kampf gegen die Nacht an einen anderen Lichtbringer: Prometheus. Von Donnergrollen und düsteren Sounds begleitet, schält sich in der Choreografie von Olivier Dubois in einem schwarz bespannten Kubus aus der Masse ein fast nackter Leib heraus, erst ein Mann, im zweiten Durchlauf eine Frau. Gleich und doch anders ringen sie mit Naturgewalten, von der Compagnie in schwarzen Zentais kollektiv verkörpert. Wieder ein Zitat (Wagner) zum Innehalten: große Momente, aber durch die Doppelung ohne Coda mit offenem Schluss.

Das herrliche israelische Gesangsensemble Profeti della Quinta erinnerte am Karfreitag an die bewegend-eleganten Psalmvertonungen von „Mantovano Hebreo“ Salamone Rossi: Ein bahnbrechender Rabbinererlass hatte 1605 in Italien die Mehrstimmigkeit für die Synagoge zugelassen. Rossis Spur verliert sich zwischen Seuchen und Pogromen im Mantuanischen Erbfolgekrieg – einem der vielen dunklen Kapitel der Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2014)

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