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Olivia Rodrigo wird zur heißen Aktie an der Musikbörse

Von ihren jungen Fans umringt: Olivia Rodrigo am Rockefeller Center in New York.
Von ihren jungen Fans umringt: Olivia Rodrigo am Rockefeller Center in New York.Reuters
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Nicht nur für Teeanger: Die US-Sängerin Olivia Rodrigo gilt als die größte Überfliegerin seit Billie Eilish. Auf ihrem zweiten Album „Guts“ überrascht sie mit recht harten Klängen. 

Die neuen potenziellen Superstars in der amerikanischen Musiklandschaft scheinen fast schon nach einem festen Muster und Rhythmus aufzutauchen. Auffällig ist, dass ein Gros von ihnen schon als Kind in Filmen oder Serien mitgespielt hat. So auch Olivia Rodrigo, die derzeit als die heiße Aktie an der Popmusikbörse notiert und besonders unter Teenagern ungemein beliebt ist. Schon in Kindheitstagen hat sich die heute 20-Jährige mit dem Disney-Konzern eingelassen: Mit zwölf Jahren nahm sie eine Rolle in der Serie „Bizaardvark“ an. Auf diese Weise steigt man gleich auf einer ganz anderen Publizitätshöhe ins Musikgeschäft ein.

Selbst wenn die Lieder kaum noch Eigenständigkeit aufweisen und die Karriere deshalb schon früh rumpelt: Es war eine Niederlage, dass Rodrigo die Urheberschaft für einige Lieder im Nachhinein teilweise abgeben musste, auch an ihr Vorbild Taylor Swift.

Etwa beim Song „One Step Forward, Three Steps Back“, der etwas zu viel Anleihen an Swifts Lied „New Years Day“ genommen hatte. Rodrigo musste Swift als Co-Autorin einfügen. Trotzdem, ihre drei Grammys, die sie im Vorjahr dafür gewonnen hat, die bleiben ihr.

Derlei Unbilden haben den Ehrgeiz der Kalifornierin offenbar nur noch angestachelt. Das nun vorliegende zweite Album „Guts“ (Label: Geffen) zeigt sie jedenfalls handwerklich stark verbessert. Auch die Songarchitektur ist um einiges anspruchsvoller als beim Debüt „Sour“, das vor zwei Jahren so phänomenal eingeschlagen ist. Stimmlich hält sie das Niveau des Erstlings, wo sie ihre Stimmhöhe gern auf unorthodoxe Weise variiert hat. Und mit der Ende Juni veröffentlichten Single „Vampires“ glückte ihr sogar ein grandioser Ohrwurm, der weit über das Teenie-Segment hinaus Wirkung zeigte und sowohl in den USA wie in Großbritannien auf Platz Eins der Hitparaden landete. Hierzulande schleifte sich die abgründige Pianoballade immerhin auf Platz Acht ein.

Mondbeschienen und mit einem dicken, dunkelroten Lippenstift angetan, liegt Olivia Rodrigo im Video auf der Grasfläche nahe einem Wasser und klagt über einen „bloodsucker and famefucker“, der sie ihres Lebenssafts beraubt. Sie tut das zunächst höchst verhuscht, ehe sie mit Schreien überrascht, deren Wucht einer Faust ins Gesicht gleichkommt.

Rock, der in die Eingeweide fährt

Generell versteht es Rodrigo, Gefühle in vielen Variationen zu deklinieren, ohne dass es wie Vokalgymnastik anmutet. Im Gegenteil, sie wirkt in ihrem Tun total authentisch. „All-American Bitch“, die Eröffnungsnummer von „Guts“, wechselt zwischen akustischer Lieblichkeit und in die Eingeweide fahrenden Rockausbrüchen. „I‘m built like a mother and a total machine”, singt sie mit radikal viel Verve in der Stimme. Diese Robustheit kennt auch eine Kehrseite. Und so singt sie auch Zeilen wie „I know my age, and I act like it“, wo sie Verletzlichkeit andeutet. Und wenn sie sich in selbige hineinsteigert wie in „Making My Bed“, dann ist sie dem düsteren Pop einer Billie Eilish näher als dem blassen Pop einer Taylor Swift. In „Making My Bed“ rechnet sie mit der dunklen Seite des Ruhms ab. Das, was zunächst so heiß ersehnt war, entwickelt sich hier zu einem Albtraum. „Want it, so I got it, did it, so it‘s done. Another thing I ruined I used to do for fun”, resümiert sie bitter. Dazu kreischen die Gitarren auf, verstummen erst dann jäh, wenn Rodrigo wieder ihre wunderbare, helle Stimme erhebt. „They tell me they love me like I´m some tourist attraction”, stöhnt sie.

Der Fluch des frühen Ruhms

Wer weiß, was da noch persönlich auf sie zukommen mag? Nur wenige von denen, die sich schon als Kids ins Showbiz verfügten, schafften es, die große Karriere mit ihrer eigentlichen, individuellen Menschwerdung in Einklang zu bringen. Von Britney Spears bis Justin Bieber, von Michael Jackson bis Robbie Williams: Alle hatten in späteren Jahren mit seelischen Rückschlägen zu kämpfen. Was bei Olivia Rodrigo stutzig macht, das ist paradoxerweise ihre Natürlichkeit. Man weiß nicht, ob man dieser trauen kann.

Aber egal, jetzt geht es erstmal karrieremäßig steil bergauf mit ihr. Zu Rodrigos Stärken zählt es, die Gedanken- und Gefühlswelt von Außenseiterinnen zu beschreiben. So auch in „Ballad Of A Homeschooled Girl“, einem Lied, das weniger Ballade als viel mehr astreiner Garagenrock ist. „Each time I step outside, it‘s social suicide“, klagt die Protagonistin darin. Rodrigo versteht es, Texte zu schreiben, mit denen sich Teenager aller Altersstufen identifizieren können. Außenseiter(in) zu sein, das ist eben zeitlos sexy.

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