Nachhaltigkeitsforschung

Ja, es hilft: Lachen über ernste Themen

Was heißt SUV? „Stupid Useless Vehicle.“ André Martinuzzi greift Themen auf, „die eigentlich gar nicht zum Lachen sind“, wie Klimawandel und Artensterben.
Was heißt SUV? „Stupid Useless Vehicle.“ André Martinuzzi greift Themen auf, „die eigentlich gar nicht zum Lachen sind“, wie Klimawandel und Artensterben.Reuters / Rebecca Cook
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Darf man bei ernsten Themen wie dem Klimaschutz schmunzeln? Ja, sagt André Martinuzzi von der Wirtschaftsuniversität Wien. Man soll es sogar. Denn Humor macht kreativer, kritischer – und man merkt sich komplizierte Dinge leichter.

„Insgesamt 43 Prozent der im letzten Jahr zugelassenen Autos waren SUV. Das sind diese aufgeblasenen Stadtpanzer, mit denen Sie zur Nashornjagd fahren könnten oder den Himalaya überqueren. Diese Fahrzeuge benötigen mehr Platz und haben einen deutlich höheren Spritverbrauch als normale Pkw. Deswegen heißen sie ja auch SUV: Stupid Useless Vehicles.“ André Martinuzzi scheut nicht davor zurück, Themen aufzugreifen, „die eigentlich gar nicht zum Lachen sind“, wie er sagt. Den Klimawandel und seine Ursachen beispielsweise, das Artensterben, Armutsfragen oder Greenwashing.

Sketches statt Seminararbeiten

Martinuzzi ist Vorstand des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Obwohl die Lehrinhalte im Studium anspruchsvoll und komplex sind, gibt es in den Hörsälen und Kursräumen allemal Grund zum Schmunzeln. Denn „Humor trägt zu besseren Lerneffekten und größeren Lernerfolgen bei, gerade wenn es um schwierige Materien geht“, erläutert der Forscher. „Damit gelingt es sogar, Menschen anzusprechen, die sich für Umweltfragen kaum interessieren und die mit Daten und Fakten nicht erreichbar wären.“ In seinen Lehrveranstaltungen darf, ja soll daher gelacht werden. Martinuzzi setzt Humor bewusst als Lehr- und Lernmethode ein. Beispielsweise lässt er seine Studierenden Comedy-Sketches anstelle von Seminararbeiten schreiben oder TikTok-Videos erstellen. Dass alle davon in mehrfacher Hinsicht profitieren, kann er durch eine neutrale Begleitforschung belegen.

„Themen wie das Bienensterben, die Verschwendung von Rohstoffen oder katastrophale Arbeitsbedingungen im globalen Süden sind in privatem Rahmen echte Stimmungskiller“, sagt Martinuzzi. „Sie sind schwierig zu kommunizieren und lösen entweder beklemmende Gefühle oder Abwehrhaltung aus.“ Humor sei ein mächtiges Instrument, um solche Hürden zu überwinden, „Er fördert Vertrauen und schafft eine gute Gesprächsbasis.“ Zudem sei er ein wichtiges Lerninstrument: „Humor hat einen Erkenntniswert. Eine gute Pointe überrascht, bricht mit Erwartungen und offenbart neue Einsichten und tiefere Wahrheiten.“ Studierende, die einen Comedy-Sketch schreiben und dafür Pointen entwickeln, müssen sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Das führt zu größerem Lernerfolg, steigert aber auch ihre Kreativität und verbessert die Kommunikationsfähigkeit im Umgang mit komplexen Sachverhalten.

Humor als Handwerk begreifen

Vorsicht sei allerdings schon geboten, räumt Martinuzzi ein. „Humor hat meist auch eine aggressive Komponente. Er braucht daher ein gut überlegtes Angriffsziel, das es wert ist, humorvoll attackiert zu werden. Zudem nutzt Humor häufig Stereotype sowie Übertreibungen, und er kann zuweilen die Grenzen des politisch Korrekten überschreiten.“ In diesen Fällen brauche es Feingefühl und ständige Reflexion darüber, ob der Humor auch die gewünschte Botschaft verbreitet. „Wer die Menschen zu weniger Fleischkonsum motivieren möchte, sollte sich nicht über vegane Ernährung lustig machen.“ All das könne man erlernen, denn Humor sei ein Handwerk, habe ihm die Erfahrung gezeigt.

Prämierter Werkzeugkasten

Deshalb bekommen die Studierenden zunächst eine Einführung in die grundlegenden Mechanismen des Humors. Gemeinsam mit Angelo Spörk, einem ehemaligen Radio-Macher, zeigt Martinuzzi den Studierenden, wie sie aus ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen gut erzählbare Geschichten entwickeln können.

In Zusammenarbeit mit dem American Improv Theater Wien und dem deutschen Comedy-Profi Markus Hennig – er schreibt viele Gags für Jan Böhmermann – haben die beiden eine Toolbox erstellt, um Techniken und Wege zur gelungenen Pointe aufzuzeigen. Für dieses Instrument zur Management- und Nachhaltigkeitsbildung erhielten sie den Best of Austria Teaching Award. Ein damit gestalteter Workshop wurde Anfang August bei der Jahrestagung der Academy of Management in Boston (USA) ausgezeichnet.

„Es geht nicht darum, ernste Themen lächerlich zu machen“, fasst der Forscher zusammen. „Humor ist vielmehr eine wirksame Art, die Zähne zu zeigen – so lang es noch geht. Denn es gibt zwar dritte Zähne, aber keinen zweiten Planeten für uns.“

»Humor ist vielmehr eine wirksame Art, die Zähne zu zeigen – so lang es noch geht.«

André Martinuzzi,

Evaluationsforscher, WU Wien

WU Wien

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