Lettland

Evika Silina führt Lettlands neue Regierungskoalition

Silina (48) bekam am Freitag den Sanktus des Parlaments für ihre neue Koalitionsregierung.
Silina (48) bekam am Freitag den Sanktus des Parlaments für ihre neue Koalitionsregierung.Reuters / Ints Kalnins
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Die 48-jährige Juristin und Ministerin für Wohlfahrt bekam am Freitag den Sanktus des Parlaments für ihre neue Koalition. Diese will „inklusiv“ sein und bezieht sich damit primär auf die große russische Minderheit in dem baltischen Land.

Nach einer dreieinhalb Monate dauernden Hängepartie hat Lettland nun eine neue Regierung. Nachdem ihr Vorgänger Krisjanis Karins daran gescheitert war, die bisherige Rechtskoalition um eine oder zwei Parteien zu erweitern, schaffte es die 48-jährige bisherige Wohlfahrtsministerin Evika Silina von der liberalkonservativen Partei „Einigkeit“ innerhalb von zwei Wochen, eine gänzlich neue Regierungskoalition auf die Beine zu stellen. Am Freitagnachmittag stimmte das Parlament der neuen Regierung zu.

Das Besondere: Erstmals seit einem kurzen Auftritt der Lettischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Regierung von Vilis Kristopans zwischen November 1998 und Juli 1999 ist mit den Progressiven wieder eine Partei mit einem ausgesprochen soziallastigen, linksliberalen Programm in der neuen Koalition vertreten. Obwohl die Progressiven, erst 2017 als Partei bestehend, der kleinste Partner in der neuen Dreierkoalition mit der Partei Silinas und der agrarisch-zentristischen Grünen und Bauernunion ist, ist ihre Handschrift in der Regierungsübereinkunft unübersehbar: Unter den großen Zielen der neuen Regierung findet sich neben den Begriffen „national“, „Wohlstand“ und „Sicherheit“ auch das Wort „inklusiv“. Letzteres ist ein Novum für eine Regierung der Baltenrepublik mit ihren rund zwei Millionen Einwohnern.

25 Prozent russischsprachig

Worauf sich das neben dem bereits in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Weg in Richtung Geschlechter-Gleichberechtigung bezieht, verdeutlichte die frischgebackene Regierungschefin am Freitag im Parlament: Der Schlüssel zu einem erfolgreichen und wohlhabenden Staat sei es, dass seine Bürger die Fähigkeit haben müssten, einander zu akzeptieren. Und zwar „in aller Diversität“. Damit sind freilich vorrangig die rund 25 Prozent russischsprachigen Letten gemeint, von denen wiederum knapp die Hälfte sogenannte „Nichtbürger“ sind, also ohne Wahlrecht. Die Progressiven haben in ihrem Parteiprogramm die Abschaffung dieses Status verankert. Ein Schritt in diese Richtung ist die Ankündigung der neuen Regierung, das Erlernen der lettischen Sprache zu fördern, um in den kommenden zwei Jahren ein auf der lettischen Sprache basierendes, einheitliches Bildungssystem einzuführen. An eine Gleichstellung des Russischen ist diesfalls also doch nicht gedacht.

Mit dem Ausscheiden der Nationalen Allianz aus der Regierung, einer Partei, die sich zum Teil aus dem konservativ-nationalen und zum Teil aus dem rechtsextremen Lager rekrutiert, dürfte das Haupthindernis gegen ein Entgegenkommen“ in Richtung russischer Minderheit vorerst überwunden sein. Diese Gruppe 32 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion endlich ins Boot zu holen, ist ein Gebot der Stunde, das dürften auch die Rechtsliberalen längst verstanden haben. Jene Partei, die früher die meisten Stimmen der Russischsprachigen lukrieren konnte, „Harmonie“, wurde in den letzten Jahren und insbesondere seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine geradezu pulverisiert. Niemand in Lettland kann Interesse haben, das entstandene Vakuum russischen Propagandisten zu überlassen.

Militärausgaben erhöhen, Grenzzäune ausbauen

In puncto äußere Sicherheit gibt es auch mit der neuen Regierung keine Kompromisse: Der Bau des Sperranlage an den Grenzen zu Russland und Weißrussland soll nun sogar bis Jänner vollendet werden. Außerdem wird das Militärbudget deutlich erhöht. Mit Ex-Premier Karins als Außenminister ist ein weiteres Schwergewichte in zentraler Position.

Sinia (*3. August 1975 in Lettlands Hauptstadt Riga) hat Jus studiert, war von 2003 bis 2012 als Anwalt im Bereich Wirtschaftsrecht tätig und hatte auch mit Fragen des Fernmelde- und Internetbereichs zu tun. 2013-19 war sie für das Innenministerium tätig, danach im Amt des Premierministers und ab Dezember des Vorjahrs Ministerin für Wohlfahrt, also quasi Sozialminister. Sie ist Mutter dreier Kinder und Lettlands zweite Regierungschefin seit Laimdota Straujuma (2014-16). (APA/DPA/red.)

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