Interview

Grüner Wasserstoff: „Es fehlt noch das Ärmelaufkrempeln“

Der Entwicklungschef von Bosch in Österreich über das lange Warten auf Euro 7, die Bedeutung von grünem Wasserstoff als Energieträger der Zukunft und warum der Verbrennungsmotor noch lang im Spiel bleiben wird.

Drei Jahre wartet die Industrie schon auf verbindliche Regeln der kommenden Abgasgesetzgebung Euro 7. Viele Details darin, soweit vorliegend, sind umstritten. Bosch arbeitet in Wien unter anderem an Steuergeräten für die künftigen Motoren – und auch an Brennstoffzellen., sogenannten Stacks.

Die Presse am Sonntag: Wo stehen wir bei Euro 7? 

Peter Kalt: Der Stand ist, dass es keinen Stand gibt. Die versprochene Fixierung im November letzten Jahres war keine. Man hat 80 Prozent grob fixiert, aber nicht die heiklen 20 Prozent. Das liegt nun bei den Gremien. Die tun das aber gerade auch nicht. Die Festlegung zittert sich durch. Eine Einführung 2025 ist für viele Themen nicht mehr realistisch. Aber wir brauchen die Norm, bald und ambitioniert.

Wo werden die Entscheidungen gefällt?

Großteils in Brüssel, wo in der Kommission und im Parlament noch einige Sachen offen sind, und es gibt Expertengremien, die die Kommission beraten. Der Kommissionsvorschlag, die Grundlage für Verhandlungen, weist in eine gute Richtung.

Warum zieht sich das wie ein Strudelteig?

Die Diskussion wird nicht technisch geführt, sondern stark politisch oder tendenziös. Zu Beginn wollte man sämtliche Randbedingungen entfernen. Also Extremsituationen, wenn jemand zum Beispiel einen 2-Tonnen-Anhänger mit abwechselnd Vollgas und Bremse den Katschberg hinaufzieht und eine Messung macht, dass so etwas dann immer einzuhalten ist. Ein Motor, der das kann, wäre doch etwas oversized, wenn man ihn in einem Mittelklasse-Pkw im Alltag einsetzt.

Dass man mittels Normierung vorgibt, was auf den Markt kommt, ist nicht unüblich …

Wenn ich es als Techniker vergleiche: In den USA werden relativ knackige Ansagen getätigt, aber mit realistischen Plänen, sodass die Industrie auch folgen kann. Eine Challenge, aber machbar und vor allem planbar. Auch China hat ambitionierte Grenzwerte. In Europa werden zuerst Ansagen getätigt, die bei konsequenter Umsetzung eigentlich zur Abschaffung des Verbrennungsmotors führen, und darüber wird dann drei Jahre lang diskutiert. Wir haben da nicht die richtige Bodenhaftung und müssen aufpassen, dass Europa nicht ins Hintertreffen gerät.

Will man bloß dem Verbrenner zu Leibe rücken?

Es gibt entsprechende Lobbys. Es wird viel in Richtung Batterie promotet und auch viel Negatives über Wasserstoff gesagt. Aus unserer Sicht ist das schlecht, denn wir sind für den evolutionären Wettbewerb, für eine Vielfalt bei den Antriebskonzepten, was letztlich das robusteste Konzept ist. Es wird immer Regionen geben, in denen es nachhaltiger und klimatechnisch besser ist, einen Tank mit Wasserstoff hinzustellen als 800 Kilometer Stromleitung, ein Kraftwerk und eine Batterie. Wichtig ist die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette. Von well to wheel, von cradle to grave. Man muss die Infrastruktur einbeziehen, wenn man werten und vergleichen möchte.

Peter Kalt
Peter KaltPrivat

Ist es nicht auch ein Thema der Komplexität?  

Es ist ein menschliches Thema. Es gibt Themen, die in den Medien verbrannt sind, wo man in der Politik zaudert, gegen den Strom zu schwimmen, wo sich der Strom schon eingestellt hat. Wir müssen wieder wissenschafts- und faktenbasiert vorgehen.

Was hat in Zukunft eine Chance, erneuerbare Energie zu sein?

Energie muss verfüg- und speicherbar sein. Wir werden immer Zeiten haben mit einem Überangebot an Energie und keiner Nachfrage. Man kann natürlich große Batteriekomplexe hinstellen. Wenn man das allerdings durchrechnet: Bevor ich die Fotovoltaik vom Netz nehme und die Windräder aus dem Wind drehe, weil die Netze das gerade nicht aushalten, habe ich nach Kosten und Nutzen besser einen Elektrolyseur und einen Wasserstofftank in jedem PV- oder Windpark. Wasserstoff kann ich jahrelang speichern, in alle Weltregionen transportieren, wo eine Leitung nicht bezahlbar ist, und ich kann ihn sehr effizient wieder in Strom umwandeln.

Wir wissen, dass wir grünen Wasserstoff brauchen. Trotzdem macht er nur fünf Prozent der Gesamtproduktion aus. Müssten wir nicht längst mehr herstellen? 

Müssten wir, es fehlt halt noch das Ärmelaufkrempeln. Das wird derzeit der Schwerindustrie zugeschoben, wo es ohne Wasserstoff nicht mehr geht. Dass Wasserstoff im Alltag ein Problemlöser sein kann, hat sich noch nicht durchgesprochen. Man kann vorhandene Leitungen verwenden, Tankstellen; alles keine Raketenwissenschaft. 

Nur ist die Effizienz fraglich, bei dem hohen Druck, den man für das Tanken mit Wasserstoff benötigt …

Bei einer Energieform, die durch temporäres Überangebot quasi gratis ist, schaut die Bilanz sicher nicht schlecht aus. Strom in der Menge, die in der Zukunft benötigt wird, wird sehr viel Kupfer in der Erde brauchen, viele Trafostationen und Infrastruktur. Wasserstoff kann ich in einem Tank in jede Ecke der Welt transportieren. Es gibt wenige Modellrechnungen, die diese Gesamtkosten berücksichtigen. 

Nun staunt man über Batterie-Lkw …

Es gibt Anwendungsfälle, in denen die Batterie Vorteile hat. Kurze Strecken und dort, wo ich zwischendurch laden kann. Auf der Langstrecke, auf der ich im Verhältnis Nutzlast zu Eigengewicht eine gewisse Effizienz brauche, haben andere Systeme Vorteile. Brennstoffzelle und Wasserstoff oder E-Fuels. Jedes System hat Vor- und Nachteile. Wir sollten das nicht dogmatisch diskutieren. Verbrenner werden auch nach 2050 noch unterwegs sein. Sie werden in unterschiedlichsten Anwendungen und Regionen noch lang gebraucht.

Steckbrief

Werk

Peter Kalt

Jg. 1964, leitet bei Bosch in Wien die Entwicklung.

Zukunftsfeld H2

Bei Bosch in Wien entwickeln 1200 Mitarbeiter Soft- und Hardware für alle Antriebsarten samt Brennstoffzelle.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.