Kallipygos war einer der Beinamen der Aphrodite. 
Geschichte

Die schöne Rundung: Die Geschichte(n) vom Hintern

Selber agieren kann der Hintern im Unterschied zu Kopf, Armen und Beinen nicht. Er ist daher geradezu prädestiniert als Objekt der ästhetischen Inszenierung. Er wird befrachtet mit Witz und Sex, Scham und Geschichte. Nie steht er nur für sich selbst.

Mögen wir den höchsten Thron der Welt einnehmen, wir sitzen doch stets auf unserem Gesäß“, schrieb der berühmte Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert. Er sprach von jenem fleischig-abgerundeten Körperteil im unteren Rückenbereich, der als Gleichgewichtszone rein anatomisch betrachtet dem Menschen einst half, aufrecht auf zwei Beinen zu gehen. Bei der Suche nach einer Futterquelle gewann der, der am schnellsten lief und am längsten durchhielt, kurz gesagt: derjenige mit dem besten Gesäßmuskel. Homo erectus war der Erste mit einem Hintern.

So entwickelte sich einer der stärksten Muskeln, eine markante Akzentuierung des Körpers. Die durch eine Spalte symmetrisch getrennte Rundung ergibt sich durch die Fettschicht auf der Außenfläche. Ihre Form: vielfältig und genetisch bedingt. Die Östrogene im weiblichen Körper sind verantwortlich für das größere Volumen bei Frauen. Es wurde in der Urzeit in Beziehung zu Mutterschaft, Weiblichkeit, Fruchtbarkeit gesetzt und daher gesellschaftlich verehrt. Der Drang zur Korrektur ist neueren Datums.

Erotisch

Die anatomische Herleitung erklärt nicht die Faszination und die Vielzahl der Namen und Umschreibungen, die den Gesäßmuskeln schon verliehen wurden. Po, Hintern, Allerwertester, Kehrseite sind geläufige Bezeichnungen, mit den derberen und zotigeren wollen wir uns nicht aufhalten. Die Attraktivität des Körperteils gilt, was die erotische Komponente betrifft, für beide Geschlechter, wird doch die Zone wegen der Nähe zu den Genitalien in vielen Kulturen zum Intimbereich gezählt und spielt auch eine Rolle bei der sexuellen Anziehung. Allerdings scheint der Hintern weniger schambesetzt als die Brüste. Die symbolischen Codes der Geschlechterdifferenzierung, so Pierre Bourdieu, präsentiert eher die Vorderseite, die Rückseite sei gleichsam neutral, wenn auch potenziell feminin.

Sie war aber auch oft Ziel körperlicher Züchtigung durch Schläge und Objekt niederen Humors. Das bewusste Herzeigen zeugte schlicht von schlechtem Geschmack oder konnte eine Geste der Entwürdigung und Demütigung des Gegenübers bedeuten. Dann war es eine obszöne, nicht sexuell motivierte Geste. Hans Peter Dürr hat das mit der grundlegenden menschlichen Abscheu vor den mit dem After verbundenen Ausscheidungsfunktionen erklärt. Sie sind extrem schambesetzt, eine anthropologische Konstante. Die Tabuisierung des Hinterteils hat also vielfache Gründe, nicht nur sexuelle.

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