Experten: Homosexuelle bei Miete und Arbeit nicht mehr diskriminiert

Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Paare gegenüber heterosexuellen im Mietrecht und bei der Pflegefreistellung gehören der Vergangenheit an, sagen Experten.

WIEN. Das Eintrittsrecht in den Mietvertrag des verstorbenen Partners, die Freistellung von der Arbeit zur Pflege des erkrankten Gefährten: Diese beiden Ansprüche werden zur Zeit von Homosexuellen und Opposition vehement für gleichgeschlechtliche Paare nach dem Muster von Heterosexuellen gefordert. Sie bestehen nach Aussage von Experten aber bereits.

Zwar hat es der Oberste Gerichtshof vor Jahren abgelehnt, einem Schwulen die Übernahme des Mietvertrags seines verstorbenen Freundes zu gestatten. Im Vorjahr erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg darin aber eine unzulässige Diskriminierung; er verurteilte Österreich deshalb. Experten betonen, dass sich die österreichische Judikatur an diese Entscheidung zu halten hat. Johannes Stabentheiner, Mietrechtsexperte im Justizministerium, geht "mit Sicherheit" davon aus, dass die Gerichte im Gefolge dieser Entscheidung seither das Eintrittsrecht homosexuellen Partnern ebenso zubilligen.

Im Arbeitsrecht, wo die SPÖ noch immer eine Pflegefreistellung für gleichgeschlechtliche Partner vermisst, hat die Koalition (gegen die Stimmen der Opposition) per 1. Juli ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung beschlossen. Laut Wirtschaftsressort steht die Freistellung daher auch schwulen und lesbischen Arbeitnehmern zu.

Gegenüber Ehepaaren werden Lebensgemeinschaften jeder Art naturgemäß ungleich behandelt, etwa im Erbrecht, bei der Witwenpension oder beim Erwerb der Staatsbürgerschaft. Kein Recht haben homosexuelle Paare auch auf eine Adoption von Kindern.

Fischer gegen "Barrieren"

Inzwischen meldete sich zum Thema auch Bundespräsident Heinz Fischer zu Wort. Er sprach sich für die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und die Beseitigung von "Barrieren" aus. Der steirische VP-Landesgeschäftsführer Andreas Schnider bewegt sich wieder einmal gegen die Bundesparteilinie: In einem Kurier-Interview ist er dafür, auch Homosexuellen eine Adoption von Kindern zu ermöglichen. 

Alfred W. und Siegmund K. lebten in einer Weise zusammen, die sich von einer funktionierenden kinderlosen Ehe kaum unterschied. Die schwulen Partner teilten Freud und Leid im Allgemeinen, die Kosten der Haushaltsführung und die Hausarbeit im Besonderen. Über Jahre verbrachten sie ihre Freizeit gemeinsam und fuhren miteinander auf Urlaub.

Als W. am 20. Juli 1994 starb, wollte K. es Ehepartnern und heterosexuellen Lebensgefährten gleichtun und den Mietvertrag seines Freundes für die gemeinsame Wohnung in Wien Favoriten übernehmen. Doch das ließ der Oberste Gerichtshof nicht zu: Das Gesetz räume das Eintrittsrecht nur verschiedengeschlechtlichen Partnern ein, las das Höchstgericht eher ins Mietrechtsgesetz hinein als aus ihm heraus. Für eine Gleichstellung bedürfe es einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers.

Damit war aber, und das wird in der Diskussion um die angebliche Diskriminierung homosexueller Paare übersehen, das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn im Vorjahr korrigierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den OGH: Dieser habe K. diskriminiert, im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.

Seither ist zwar kein Urteil bekannt geworden, das ein Eintrittsrecht eines Homosexuellen bejaht hätte. Eine Rundfrage des Justizressorts bei den Gerichten verlief negativ. Dennoch ist Johannes Stabentheiner, Mietrechtsexperte im Ministerium, überzeugt, dass die Richter heute anders entscheiden würden als damals der OGH: "Davon ist mit Sicherheit auszugehen, auch ohne Gesetzesänderung", sagt Stabentheiner zur "Presse".

Seit 2002 hat die Stadt Wien für ihre 220.000 Gemeindewohnungen die Regeln für Lebenspartner - homo- wie heterosexuell - an die für Ehepaare angeglichen. Lebenspartner können sowohl gemeinsam einen Vertrag mit Wiener Wohnen abschließen als auch einem solchen beitreten. Voraussetzung für Letzteres ist, dass beide seit zwei Jahren in der Wohnung gemeldet sind.

Wie beim Recht auf Eintritt in Mietverträge lösen sich auch andere vermeintliche Diskriminierungen von Homosexuellen bei genauerem Hinsehen in Luft auf. Beispiel Pflegefreistellung: Die SPÖ fordert sie auch für Homosexuelle, die ihre erkrankten Partner pflegen wollen. Und stellt damit die politische Welt kurzfristig auf den Kopf: Denn sie verlangt etwas, was die Koalition gegen die Stimmen der Opposition mit 1. Juli in Kraft gesetzt hat. Seither sind, in Umsetzung einer EU-Richtlinie, Benachteiligungen am Arbeitsplatz auf Grund der sexuellen Orientierung verboten. Und einem Schwulen oder einer Lesbe die Freistellung vorzuenthalten, wäre diskriminierend, bestätigt Walter Neubauer, Beamter im Wirtschaftsministerium. Die Gleichstellung gilt freilich noch nicht lückenlos im Bereich der Landesgesetzgebung (z. B. Landesbeamte).

Ein weiterer Nachteil, den Homosexuelle beklagen: Sie würden keine Auskunft erhalten, wenn ihr Partner im Spital liegt. Doch eine rechtliche Grundlage für die vermeintliche Diskriminierung sucht man vergeblich: Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht gilt gegenüber jedermann, nur wird mit der Aufnahme ins Spital eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Patienten angenommen, ihm nahe stehende Personen zu informieren. Nirgendwo steht aber geschrieben, dass es sich dabei um Verwandte, Ehepartner oder heterosexuelle Lebensgefährten handeln müsse. Wer immer glaubhaft versichern könne, dass er eine Vertrauensperson sei, bekomme Auskunft, erklären AKH, Lorenz-Böhler-Spital und Rudolfinerhaus unisono. "Wir verlangen ja auch von der Ehefrau keinen Ausweis", so Harald Hertz, ärztlicher Leiter des Lorenz-Böhler-Spitals. Wie genau informiert werde, sei aber Sache der Berufserfahrung, sagt AKH-Sprecherin Karin Fehringer.

Auch Christian Högel, Obmann der Homosexuellen Initiative Wien, attestiert den Wiener Spitälern im bundesweiten Vergleich Aufgeschlossenheit. Tragisch seien aber jene Fälle, in denen Eltern, die im Spital zum ersten Mal mit dem homosexuellen Partner ihres Sohnes oder ihrer Tochter konfrontiert würden, eine Auskunft verhindern wollten. Am besten sei es, sagt Fehringer, die Lebenspartner würden beizeiten eine Patientenverfügung verfassen, in der sie regeln, wer informiert werden darf.

Richtig ist, dass gleichgeschlechtliche Partner von Müttern oder Vätern nicht gleichsam als zweiter Elternteil deren Kinder adoptieren können. Denn der Adoptionswillige tritt stets an die Stelle des Elternteils seines Geschlechts, sodass beispielsweise eine leibliche Mutter ihre Rolle zu Gunsten ihrer Partnerin aufgeben müsste. Die gemeinsame Adoption ist allerdings selbst in Staaten, die eingetragene Partnerschaften oder gar Ehen von Homosexuellen zulassen, vielfach ausgeschlossen.

Eine Ungleichbehandlung besteht überdies in der Krankenversicherung: Anders als heterosexuelle Lebenspartner können sich Homosexuelle, die Kinder betreuen, nicht beim anderen mitversichern lassen. Im Steuerrecht steht Schwulen und Lesben, die Kinder in die Partnerschaft mitbringen, zwar nicht der Alleinverdienerabsetzbetrag zu; statt dessen können sie aber den gleich hohen Alleinerzieherabesetzbetrag geltend machen, ohne dass ihnen das Zusammenleben mit ihrem Partner schaden würde.

Während die Unterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Partnerschaften schwinden, bleibt manche Differenzierung gegenüber der Ehe aufrecht: Ein gesetzliches Erbrecht, das Hinterbliebene auch ohne Testament bedenkt, haben nur Ehepartner. Auch bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer kommen Verheiratete viel besser weg. Eine Hinterbliebenenversorgung in der Sozialversicherung steht Lebensgefährten ebenso wenig zu wie ein vereinfachter Erwerb der Staatsbürgerschaft.


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