Am Herd

So viel Platz ist in einem Kindermagen

Am Wochenende ging mein Mann zum Zielpunkt, wo die Astrid den Kindern Extrawurst-Radln zusteckte. Wenn er dann der Hausmeisterin begegnete, schüttelte die missbilligend den Kopf: „Und was macht Frau?“

Als Hannah ein Baby war, fluchte ich, weil wir keinen Lift haben. Ich keuchte die drei Stockwerke hinauf, den Säugling im einen, die Einkäufe im anderen Arm, Stufe um Stufe, und wenn ich mehr brauchte als Brot, Joghurt, Nudeln und Salat, wenn der Kinderwagen sich bog unter dem Gewicht von Milch und Mineralwasser und Äpfeln, sperrte ich die Sackerln ins Fahrrad-Abteil im Hof. Dort warteten sie neben einem blinden Spiegel und den ausrangierten Blumenkisteln, bis mein Mann heimkam.

Als Marlene ein Baby war, war Hannah fast vier. Drei Stockwerke sind sehr hoch, wenn du vier bist. Oft war sie nach dem Kindergarten müde, dann raunzte sie und bockte und ich sang sie über die Stufen, ich erzählte sie über die Treppen, Marlene hatte ich dabei über die Schulter geworfen und die Einkäufe erledigte mein Mann.

Die Kinder wurden größer und ihr Appetit auch, noch mehr Nudeln, noch mehr Äpfel, noch mehr Milch, viel mehr Milch. Sie rannten vor mir her und ich stapfte beladen nach, sie warteten vor der Wohnungstür und stritten, wer als Erster rein darf. Ich! Ich! Ich bin dran. Am Wochenende ging mein Mann zum Zielpunkt, wo die Astrid den Kindern immer Wurstradeln zusteckte, und wenn er die Wochenendeinkäufe erledigt hatte, begegnete er oft der Hausmeisterin, die damals noch die Treppen wusch. Sie schüttelte missbilligend den Kopf: „Und was macht Frau?“

Mama, ich mach das schon

Wie viele Liter im Laufe der Jahre? Wie viele Kilo? Und wann hat das begonnen, dass erst Hannah, dann Marlene mir einfach die Sackerln aus der Hand nahm, selbstbewusst ob ihrer jugendlichen Stärke, Mama, das mache ich, Mama, ich trag das schon? Und wann habe ich begonnen, sie zu bitten, mir besonders schwere Packerln von der Post zu holen?

Mittlerweile sind sie ausgezogen. Wir kaufen nur mehr für zwei ein. Außer Hannah und Marlene schauen kurz vorbei, dann besorgt mein Mann, für den Liebe auch durch den Magen geht, noch flugs Kakao und Cola. Und ja, wirklich, Extrawurst. Wenn sie mit ihren Freunden zum Essen kommen, wird der Kühlschrank wieder voll, und die großen Töpfe werden hervorgeholt.

Aber meist kommen sie nicht zu uns, nein, umgekehrt, immer häufiger lädt Hannah uns alle zu sich ein und ihr Freund kocht, er ist ein fantastischer Koch, und manchmal ruft Hannah uns dann kurz vorher an, weil etwas fehlt, irgendeine Kleinigkeit: „Mama, könntest du bitte Minze mitnehmen?“ Dann besorge ich das schnell auf dem Weg zu ihr. Sie wohnt im ersten Stock. Es sind nur 18 Stufen und ich trage nur das winzige Sträußlein Minze, und es ist super.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

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