Weltrekord

2:11:53 – ein Marathonlauf in neue Sphären

Tigist Assefa hat in Berlin Sportgeschichte geschrieben.
Tigist Assefa hat in Berlin Sportgeschichte geschrieben.APA / AFP / Tobias Schwarz
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Tigist Assefa verblüffte mit ihrem Fabel-Marathon in Berlin. Die Äthiopierin lief so schnell wie die Männer-Elite – und konnte auch von Klimaaktivisten nicht ausgebremst werden.

Der Berlin-Marathon ist seit jeher ein gutes Pflaster für Rekordjäger. Auf der flachen Strecke und im kühlen Wetter zu Herbstbeginn werden hier seit Jahrzehnten dank Läufern wie Haile Gebrselassie oder Eliud Kipchoge reihenweise Bestmarken aufgestellt. Doch Tigist Assefa ist nun die erste Frau seit über 20 Jahren, die in der deutschen Hauptstadt über 42,195 Kilometer zum Weltrekord lief.

Unter strahlend blauen Himmel stieß die Äthiopierin am Brandenburger Tor gar in völlig neue Marathon-Sphären vor. In 2:11:53 Stunden blieb Assefa mehr als zwei Minuten unter der bisherigen Bestmarke von Brigid Kosgei. Die Kenianerin war vor knapp vier Jahren in Chicago 2:14:04 Stunden gelaufen. Nach ihrem Marathon-Quantensprung bekreuzigte sich Assefa, sank auf die Knie und feierte mit der äthiopischen Fahne um die Schultern. „Ich hätte nicht erwartet, so schnell zu laufen. Das ist das Ergebnis harter Arbeit“, sagte die 26-Jährige. „Ich wollte den Weltrekord, aber ich habe nicht gedacht, dass ich es dieses Mal schaffe.“

Bei den Männern siegte einmal mehr Eliud Kipchoge, als erster Läufer zum bereits fünften Mal in Berlin. In 2:02:42 Stunden verpasste der Kenianer, 38, seinen offiziellen Weltrekord aus dem Vorjahr um gut anderthalb Minuten, nachdem er zunächst in Rekordtempo gestartet war. Im Wiener Prater war Kipchoge vor vier Jahren die inoffizielle Weltbestzeit von 1:59:40 gelaufen

Tigist Assefa bei der Siegerehrung in Berlin.
Tigist Assefa bei der Siegerehrung in Berlin.APA / AFP / Tobias Schwarz

Vereitelte Störaktion

Aufhalten konnten ihn und Assefa in Berlin auch nicht Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation. Sie hatten vor dem Start versucht, die Straße des 17. Juni zu blockieren und wurden von Sicherheitskräften weggezogen. Am Brandenburger Tor kurz vor dem Ziel waren nach einer Aktion der Gruppe vor einer Woche noch Spuren oranger Farbe zu sehen

Dafür hatte Assefa keine Augen, ein Jahr nach ihrem Berliner Streckenrekord von 2:15:37 Stunden stürmte sie unterstützt von moderner Schuhtechnologie und bei perfekten äußeren Bedingungen ihrer Fabelzeit entgegen. „Eine kleine Verbesserung zum Vorjahr hatte ich schon erwartet. Die erste Hälfte bin ich so gelaufen, dass ich in der zweiten Hälfte nicht müde werde“, erklärte Assefa zum flotteren zweiten Teil, auf dem sie phasenweise gleich schnell wie die Männer-Elite war. Dass sie spurten kann, beweist ihre 800-Meter-Bestzeit von unter zwei Minuten. Die zweitplatzierte Kenianerin Sheila Chepkirui hatte knapp sechs Minuten Rückstand (2:17:49) und lief dennoch eine Weltklassezeit. Den zuvor letzten Frauen-Weltrekord in Berlin hatte 2001 die Japanerin Naoko Takahashi aufgestellt, sie blieb vor 22 Jahren in 2:19:46 Stunden als erste Athletin unter 2:20 Stunden. Eindrucksvolles Detail am Rande: Nur drei österreichische Männer (Herzog, Ketema, Weidlinger) liefen bisher unter Assefas Weltrekordzeit.

Früher war Assefa Spezialistin für die kürzeren Distanzen, über 800 Meter nahm sie an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teil. Weit erfolgreicher aber war sie zuletzt auf der Straße. Ihren ersten Marathon absolvierte sie im März 2022 in Riad. Doch selbst nach ihrem zuvor kaum für möglich gehaltenen Fabel-Weltrekord von Berlin mochte sie sich noch nicht als Olympia-Favoritin für die Sommerspiele 2024 in Paris sehen. „Das nationale Komitee muss mich erst auswählen“, erklärte Assefa zurückhaltend.

Kipchoges Lehren

Auch Kipchoge, der am Mittwoch für diverse Termine auf der Wiener Prater Hauptallee zu Gast sein wird, lag in Berlin zunächst auf Weltrekordkurs, konnte das hohe Tempo aber nicht halten. Zumindest rettete er den Sieg vor den näher rückenden Verfolgern ins Ziel und muss sich die Zahl für die meisten Berlin-Erfolge nicht mehr mit dem Äthiopier Haile Gebrselassie teilen. „Der Sieg ist das Wichtigste“, sagte der Marathon-Star „Ich werde diese Lehren für meine Olympia-Vorbereitung nutzen. Ich werde versuchen, Geschichte zu schreiben“, versprach er mit Blick auf einen möglichen dritten Olympiasieg. (red.)

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