Geopolitik

Das nächste Afrika-Debakel für Frankreich

Die Proteste gegen Frankreichs Militärpäsenz gewannen zuletzt an Fahrt.
Die Proteste gegen Frankreichs Militärpäsenz gewannen zuletzt an Fahrt.APA / AFP / -
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Geopolitik. Nächste Demütigung für die Ex-Kolonialmacht: Macron muss Soldaten unter dem Druck der Militärjunta aus Niger abziehen.

Wien/Niamey/Paris. Sie schrieben „Frankreich, hau‘ ab!“ auf Plakate und hüllten Särge in die französische Trikolore: Wochenlang haben Demonstranten vor der französischen Militärbasis in Niamey, Niger, auf den Abzug der ehemaligen Kolonialmacht gedrängt. Am Sonntagabend kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dann tatsächlich an, dass alle 1500 Soldaten das Land bis Jahresende verlassen werden. Die Verlautbarung gefiel auch dem Militärregime in Niamey. Es wähnte einen „historischen Moment“ sowie einen „weiteren Schritt in Richtung Souveränität“ des Landes. Die anti-französische Haltung der nigrischen Putschisten ist freilich auch Mittel zum Zweck. Sie soll deren Rückhalt in der Bevölkerung festigen.

4000 Kilometer Luftlinie nördlich herrschte Katzenjammer. Frankreichs Afrika-Politik liegt in Trümmern. „Françafrique“ geht unter. Vor allem das rasende Tempo überrascht. Zuerst, 2022, mussten die Franzosen aus Mali abziehen, das sich russischen Söldnern zugewandt hat und am Montag übrigens eine Verschiebung der für Februar 2024 avisierten Wahlen in Aussicht gestellt hat. Es folgte der Abzug aus Burkina Faso. Und jetzt auch aus dem Niger. Alle drei Staaten sind Ex-Kolonien Frankreichs in der Sahel-Zone. Alle drei Schauplätze von Militärputschs.

Macron wollte hart bleiben

Mit dem Abzug aus Niger vollzieht Macron eine Kehrtwende. Vor Kurzem noch machte der Präsident öffentlich keine Anstalten, sich dem Willen der Militärjunta zu beugen, die sich in Niger Ende Juli an die Macht geputscht hatte. Er beharrte auf der Militärpräsenz im Land. Auch ein Ultimatum der Junta zum Abzug des französischen Botschafters Sylvain Itté aus Niger ließ er verstreichen: „Er bleibt.“ Der Diplomat, zur unerwünschten Person erklärt, verschanzte sich seither hinter den Mauern der Botschaft. Die Aufkündigung der Militärabkommen ignorierte Macron gleichfalls. Er verweigerte den Dialog und zeigte eine Zeit lang Härte.

Aber nun beugt sich der Präsident der Macht des Faktischen. Der Botschafter und andere Diplomaten würden sofort heimkehren, sagte Macron am Sonntagabend in einem TV-Interview. Die 1500 französischen Soldaten im Niger würden bis zum Jahresende das Land verlassen. Damit der Abzug friedlich abläuft, würde sich Frankreich auch mit der Junta absprechen. Kurz vor seiner Ankündigung hatte das Putsch-Regime den Einsatz erhöht und den Luftraum für alle französischen Flugzeuge gesperrt.

Früher ein Stabilitätsanker

Der Abzug schmerzt. Niger galt als westlicher Sicherheitsanker in der Sahel-Region. Als Hort der Stabilität. Als Zufluchtsort für westliche Soldaten. Und Interessen. Wie fast immer geht es auch um Rohstoffe. Der französische Atomkonzern Orano betreibt im Niger riesige Uranminen, die zum Beispiel auch den Rohstoff für die Brennstäbe in den französischen AKW liefern. Niger ist außerdem ein Transitland für Migranten auf dem Weg nach Europa.

Aber wie in der Nachbarschaft auch, wie in Mali und Burkina Faso, breitete sich in Niger zuletzt eine anti-französische Haltung aus. Und auch russische Akteure sollen die Stimmung in sozialen Netzwerken verstärkt haben. Der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich wird vorgeworfen, die Sahel-Staaten in neue wirtschaftliche und sicherheitspolitische Abhängigkeiten gezwungen zu haben. Dass also die Partnerschaft auf Augenhöhe, wie sie Macron 2017 öffentlichkeitswirksam verkündet hat, nur ein Lippenbekenntnis war.

Das Terror-Problem

Aber es gibt auch eine andere Lesart: Demnach muss Frankreich vor allem als Sündenbock herhalten in einer Region, die unter vielen Problemen leidet, darunter bittere Armut, Perspektivlosigkeit, Terror. Macron erinnerte neulich daran, dass die französischen Soldaten ab 2013 auf Bitten der damaligen Staatschefs in die Sahel-Region entsandt wurden, und zwar mit dem Auftrag, dort den Jihadismus zurückzudrängen. Die Bilanz ist gemischt.

In Niger sind übrigens auch die USA präsent – u.a. mit einer Basis für Drohnen und rund 1100 Soldaten. Nach dem Militärputsch in Niamey hielten sich die USA eher zurück. Vielleicht auch, um die Präsenz im Land nicht zu gefährden. Aber nach dem angekündigten Abzug Frankreichs könnte es im Niger für den gesamten Westen eng werden.

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