Wissenschaft

Das Eis geht, was kommt?

Alaska: Der Rückzug der Gletscher hat Flüsse gebracht und Lachse zu Klimagewinnern gemacht.
Alaska: Der Rückzug der Gletscher hat Flüsse gebracht und Lachse zu Klimagewinnern gemacht. Matthias Breiter
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Der Gletscherschwund bereitet vor allem Sorgen, aber in eisfrei werdenden Regionen gedeiht auch neues Leben, am Land und im Wasser.

Als Sandy Milner, Gewässerökologe an der University of Birmingham, 1977 noch als Student zum ersten Mal an den Wolf Point Creek in Alaska kam, mündete der fast völlig unbelebte Wasserlauf durch eine steinerne Einöde ins Meer, gespeist vom Schmelzwasser eines Sees im Muir-Gletscher. Dessen Zunge ragte noch Ende des 19. Jahrhunderts hunderte Meter hoch und weit ins Meer und versorgte es beim Kalben mit Eisbergen, aber schon damals zog sich der Gletscher rasch zurück, um 1940 fiel das erste Land um den sich bildenden Creek trocken, so sah es Milner noch vor sich, öd und leer und zugleich die ideale Gelegenheit zum Beobachten, wie Leben Regionen besiedelt, die vom Eis freigegeben werden.

Deshalb kehrte er Jahr für Jahr zurück – mit wenigen Ausnahmen, etwa während der Pandemie – und holte aus dem Wasser, was ihm in seine feinen Netze ging, am Anfang nur Larven extrem kälteangepasster Zuckmücken (Chironomidae), später gesellten sich die von Eintags- und Steinfliegen hinzu. Zugleich überzog erstes Grün das umliegende Gestein, es war Weißer Silberwuchs (Dryas octopetala), der mit Bodenbakterien vergesellschaftet ist, die Stickstoff aus der Luft in biologisch verfügbaren umwandeln und auch karges Land fruchtbar machen.

Im Wasser kommen erst Insekten, dann Fische

Das trug zum Aufbau einer ersten Bodenschicht bei, in der später kleine Erlen und Weiden wurzelten – heute so dicht, dass die Forscher nicht durchkommen und im Fluss waten müssen – , die wieder mit Blättern und Blütenstaub das Insektenleben im Wasser förderten. Über das machten sich ab 1987 erste Fische her, kleine, dann kamen größere, Dolly-Vorden-Forellen, und schließlich, 1989, Buckellachse (nicht alle Lachse kehren in ihre Geburtsgewässer zurück, manche suchen sich zum Laichen neue). Deren Zahl schwoll rasch an, 1997 waren es Zehntausende (Knowable Magazine 28. 3.).

Lachse sind also Klimagewinner, ihre Fischer sind es auch – nicht überall, durch das veränderte Abflussregime der Gletscher sind in Alaska manche Flüsse trocken gefallen –, beiden wird die Erwärmung nach der jüngsten Prognose von Kara Pitman (Nurneby, Kanada) im westlichen Nordamerika bis zum Jahrhundertende 1619 neue Flusskilometer bescheren (Nature Communications 12: 6816).

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