Bischofssynode

Der Papst bleibt verbindlich unverbindlich

Peter Kufner
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Wie Papst Franziskus auf Bedenken von fünf Kardinälen zur Priesterweihe für Frauen und vielen anderen Fragen (nicht) reagiert hat.

Die letzten Dubia (lat. Zweifel) liegen schon etwas zurück. Im Jahr 2016 haben vier Kardinäle gegen den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener öffentliche Bedenken vorgetragen. Papst Franziskus hat diese Dubia damals nicht beantwortet – und ins Leere laufen lassen. Nun hat er gehandelt und seine Antworten auf neue Anfragen vor Beginn der römischen Bischofssynode veröffentlicht. Das ist gut. Zu einer synodalen Gesprächskultur gehört es, das Anliegen der anderen zu hören. Seine Antwort darf man als konstruktiven Beitrag zur Überwindung der polarisierten Debattenlage in der Kirche betrachten.

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Die Antworten auf die Fragen treiben allerdings neue Fragen hervor. Es handelt sich nicht um lehramtliche Punktsetzungen, wie man sie beim literarischen Genus von Dubia, offen vorgetragenen Bedenken, erwarten würde. Diese wurden von den Päpsten bislang schnörkellos mit Ja oder Nein beantwortet. Auch in der scholastischen Disputationskunst hat der Magister der Theologie nach Sichtung der Pro- und Contra-Argumente klare Antworten vorgelegt, in deren Licht er die Einwände dann jeweils entkräftet hat. Nicht so Franziskus, der oberste Lehrer der Kirche, er reagiert auf die Dubia mit Gegenfragen und differenzierenden Erwägungen. Damit zeigt er die Komplexität der Probleme an, eröffnet Spielräume für das synodale Gespräch, bleibt aber Orientierungen mitunter schuldig.

Fällige Verschiebungen

Das erste Bedenken zielt ins bibel- und traditionshermeneutische Zentrum. Die fünf Kardinäle, darunter Walter Brandmüller, Raymond Leo Burke und Robert Sarah, stellen die These infrage, „dass die göttliche Offenbarung angesichts der aktuellen kulturellen und anthropologischen Veränderungen neu interpretiert werden müsse“. Wenn „neu interpretieren“ als „besser auslegen“ verstanden werde, pariert der Papst, dann sei das fraglos richtig. Es gehe nicht um Versteinerung von Tradition, sondern um wachsendes Verständnis in neuen Kontexten. Auch gibt er Exempel für den Wandel der Lehre, um ungeschichtliche Kontinuitätsfiktionen zurückzuweisen. Bei der Beurteilung der Sklaverei und der Rolle der Frau habe es fällige Verschiebungen gegeben.

Allerdings weicht er dem Problem im Hintergrund aus. Längst gibt es Theologen, die auf die Zeichen der Zeit als neue Quellen von Offenbarung verweisen. Mit Blick auf Anders-Orte (sog. „Heterotopien“) müsse eine modernitätsverträgliche „Weiterentwicklung“ der Lehre erfolgen. Die Sexualmoral etwa sei angesichts neuer humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zu revidieren. Statt Leitplanken für solch grundsätzliche Herausforderungen anzugeben, bleibt der Papst kalkuliert vage und erinnert daran, dass das biblische Offenbarungszeugnis neu ausgelegt werden müsse.

Das zweite Bedenken betrifft die Singularität der Ehe und die anhaltende Kontroverse um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Ob die Kirche „objektiv sündhafte Situationen“ als „mögliches Gut“ anerkennen könne, ohne die offenbarte Lehre zu verletzen, fragen die Kardinäle. Der Papst antwortet, die Ehe als exklusive, treue und unauflösliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, die für Nachwuchs offen sei, müsse unbedingt geschützt werden. Riten oder Sakramentalien, die eine Verwechslung möglich machten, seien zu vermeiden.

Gebot pastoraler Klugheit

Zugleich hält Franziskus fest, dass es ein Gebot der pastoralen Klugheit sei, auch andere Formen der Segnung zuzulassen. Sein Votum erstaunt, hat er doch noch 2021 ein Schreiben der Glaubenskongregation ausdrücklich gebilligt, das Segnungen von homosexuellen Paaren für unzulässig erklärte. Die Absage entsprach dem Katechismus der katholischen Kirche, der zwar jede Form von Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Personen ablehnt, zugleich aber praktizierte Homosexualität als „Sünde“ bezeichnet. An dieser Doktrin will Franziskus nicht rütteln, zugleich aber Spielräume für Segnungen öffnen. Das mag man pastoral sensibel nennen, theologisch konsistent ist es nicht. Was auf der Ebene der Lehre als Sünde eingestuft wird, soll auf der Ebene der Pastoral gesegnet werden?

Das dritte Bedenken betrifft die Vision einer synodalen Kirche. Die Kardinäle erinnern mit dem II. Vatikanischen Konzil daran, dass das Bischofskollegium mit dem Papst das oberste Leitungsgremium der Kirche sei, nicht die Bischofssynode. Sie halten fest, dass Bischöfe als Zeugen des Glaubens ihr Bekenntnis der Wahrheit nicht delegieren können. Das ist ein wichtiger Punkt. Würde die Leitung der Gesamtkirche von den Bischöfen, die ihre Ortskirchen amtlich repräsentieren, auf gemischt besetzte Synodalgremien übertragen, wäre das eine neue Form von Kirche. Franziskus scheint einen solchen Umbau nicht anzuzielen. Ausdrücklich lehnt er es ab, eine „bestimmte synodale Methodik, so wie sie einer Gruppe passt, zu sakralisieren oder aufzuzwingen“. Alle Getauften müssten in einer missionarischen Kirche am Gespräch über den gemeinsamen Weg beteiligt werden. Wie das Verhältnis von Beratung und Entscheidung in einer synodalen Kirche am Ende austariert werden soll, lässt er allerdings offen.

Das vierte Bedenken betrifft das Verhältnis von Priestern und Laien: Ist es nicht eine Konturenverwischung, wenn Laien Kompetenzen von Priestern übernehmen oder Frauen geweiht werden? Franziskus schärft mit dem Konzil die ­„wesentliche Differenz“ zwischen Priestern und Laien ein und votiert für ein komplementäres Miteinander. Die Entscheidung von Johannes Paul II., dass es unmöglich sei, Frauen zu ordinieren, bekräftigt er. Allerdings müsse über die Natur letztverbindlicher Entscheidungen weiter nachgedacht werden. Franziskus hat klar gesehen, dass die Kirche in einem Modernitätskonflikt steht, was die Frauenfrage anlangt. Daher hat er die weibliche Präsenz auf allen Ebenen erhöht. Das ist gut. Seine Andeutung, dass die Entscheidung von Johannes Paul II. formal anfechtbar sein und auf fehlbare Weise Unfehlbarkeit beanspruchen könnte, ist indes heikel. Offensichtlich will Franziskus die Türe wieder öffnen, die er bei der fliegenden Pressekonferenz am 1. November 2016 schon geschlossen hatte, als er die Unmöglichkeit der Frauenordination bekräftigte.

Beichtstuhl als Zollstation?

Das letzte Bedenken zielt auf die alle einladende Kultur der Barmherzigkeit, die Franziskus fördert. Ob Vergebung ein Menschenrecht sei und die Absolution auch ohne Reue gespendet werden könne? Der Papst weiß, dass Reue und Bekenntnis Voraussetzungen für die sakramentale Absolution sind. Aber er warnt davor, den Beichtstuhl zur Zollstation umzugestalten. Zu Recht. Schon der Gang zur Beichte sei als Zeichen der Reue zu werten. Umgekehrt wird Franziskus darauf achten müssen, dass seine Vision einer inklusiven Kirche nicht auf eine Theologie der „billigen Gnade“ hinausläuft, die am Ende nicht den Sünder, sondern die Sünde selbst rechtfertigt.

Der Punkt des Papstes ist, dass er keine Punkte setzen, sondern Diskursräume eröffnen will. Ob die Bischofssynode in Rom am Ende klären kann, was in den pontifikalen Antworten unklar geblieben ist?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Jan-Heiner Tück
Jan-Heiner TückPrivat

Jan-Heiner Tück (*1967 in Emmerich, Deutschland) ist Professor am Institut für Systematische Theologie und Ethik der Universität Wien. Zuletzt von ihm erschienen: „Jesus – der Messias Israels?“ (Herder, 432 Seiten).

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