Culture Clash

Jon Fosse: „Nach Hause gekommen“

Jon Fosse ist Vertreter einer bunten Special-Forces-Einheit der Literaturwelt: der katholisch Gewordenen. Fünf von ihnen sind mittlerweile nobelpreisbewehrt.

Dass der Literaturnobelpreisträger Jon Fosse auch ein Haus in Hainburg hat – wegen der Nähe zur slowakischen Heimat seiner Frau – beflügelt österreichische Patrioten. Für mich ist das interessantere Detail im Spiel „Wir sind Nobelpreisträger!“ die 2013 stattgefundene Konversion Fosses zum katholischen Glauben. Es gibt ja nicht allzu viele katholische Literaturnobelpreisträger. Eine Handvoll Indifferente oder Abgefallene. Zwei selbstbewusst Katholische – Henrik Sienkiewicz („Quo Vadis“) und Francois Mauriac. Ein Grüppchen Kritische, wie die aus der Kirche ausgetretenen Heinrich Böll und Günther Grass, wie Seamus Heaney oder Czeslaw Milosz.

Und dann gibt es noch die fünf katholischen Konvertiten. Von ihnen ist Sigrid Undset („Kristin Lavranstochter“) die „klassische“ Bekehrte: eine vehemente Verteidigerin des katholischen Dogmas. Aber auch Fosse sagt, dass er den großen Katechismus durchgearbeitet hat und sich zu ihm bekennen kann. Bei Toni Morrison, mit 12 Jahren konvertiert, blieb das Katholische eher unauffällig. Der Isländer Halldór Laxness wäre beinahe Benediktinermönch geworden, entwickelte dann ein uninstitutionelles Gottesbild. Und Ernest Hemingways Katholizismus gibt es seit einem Nahtoderlebnis 1918 nach der Explosion einer österreichischen (!) Granate. 1927 schrieb er einem befreundeten Priester: „Ich hatte immer mehr Glaube als Intelligenz oder Wissen und ich wollte nie als katholischer Schriftsteller gelten, denn ich weiß um die Wichtigkeit, ein Vorbild zu sein – und ich habe nie ein gutes Vorbild gegeben.“

Der neue Nobelpreisträger Jon Fosse sagt: Katholisch zu werden habe sich angefühlt, wie nach Hause zu kommen. So mag es auch für manchen nobelpreislosen Autor gewesen sein, wie für Oscar Wilde oder Ernst Jünger, die am Lebensende katholisch wurden. Anderen war ihre frühe Konversion ein lebenslanger Stachel im Fleisch, wie für Graham Greene oder Julien Green (der ganz jung in einem Pamphlet gegen die Lauheit der Christen geschrieben hat: Wenn das in den Menschen gelegte Überirdische „uns einmal nicht mehr quält, dann deshalb, weil unsere Gleichgültigkeit es besiegt haben wird. Dieser Sieg wird unsere Verdammnis sein“). Alles Menschen, denen mit ihrer Konversion etwas Unerwartetes zugestoßen ist, dem sie sich gestellt haben. Sie stehen für eine erwachsene Suche nach dem bergenden Geheimnis in einer zufluchtslos gewordenen Welt. Und sind Zeugen für die Faszination einer als unattraktiv geltenden Religion. Für die Synodenbischöfe, die derzeit in Rom über das Künftige des Katholischen beraten, eigentlich eine spannende Fokusgruppe.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

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