Studie

Wie islamistisch ist Milli Görüş in Österreich?

Eine Ausgabe der Milli Gazete (Nationale Zeitung) in Traiskirchen. Die Publikation ist Teil der Milli-Görüs-Bewegung.
Eine Ausgabe der Milli Gazete (Nationale Zeitung) in Traiskirchen. Die Publikation ist Teil der Milli-Görüs-Bewegung.Heinz Tesarek
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Ein neuer Bericht untersucht, wie die türkisch-nationalistische Bewegung Milli Görüş in Österreich und Deutschland Fuß fasste und welche Ziele sie verfolgt. 

Die Größe der türkisch-nationalistischen Bewegung Milli Görüş in Deutschland und Österreich kann sich sehen lassen. In beiden Ländern stellt sie den zweitgrößten Moscheenverband. Über ihre deutsche Zentrale verwaltet sie ein Netzwerk an Regionalverbänden, darunter drei in Österreich. Europaweit hat sie Bildungs-, Frauen- und Kulturvereine etabliert. Im Alltag hunderttausender Muslime spielt sie eine wichtige Rolle.

Einen Blick auf die Bewegung wirft die Dokumentationsstelle Politischer Islam, die auf 250 Seiten Geschichte und Ideologie der Milli Görüş untersucht hat. Verfasst wurde der Bericht von den Historikern Heiko Heinisch und Jan-Markus Vömel sowie vom Religionswissenschaftler Hüseyin Çiçek von der Uni Wien. 

Alternative zum Säkularismus

Die Bewegung Milli Görüş entstand in der Türkei als Gegenmodell zur säkulär-nationalistischen Republik und wandte sich gegen die Zurückdrängung des Islams ins Private. Eine neue religiöse Generation sollte der Türkei „zu neuer Größe und Machtfülle verhelfen“, so der Bericht. Zum wichtigsten Akteur des politischen Islams in der Türkei stieg Milli Görüş zwischen den frühen 1970er- und frühen 2000er-Jahren auf. Mit Parteigründungen war sie damals politisch erfolgreich.

Die Bewegung konnte ab dem Ende der 1960er-Jahre in Europa Fuß fassen. Vor allem in Ländern, in die es eine starke türkische Arbeitsmigration gab. In Deutschland dienten die Moscheen der Milli Görüş als „Anlaufpunkt für Neuankömmlinge“, wo sich konservativere und islamistische Strömungen, die in der Türkei unterdrückt wurden, ausbreiten konnten. Daher war die starke deutsche Präsenz für die Bewegung auch als „zweites organisatorisches Standbein fernab des staatlichen Zugriffs der Türkei von hohem Wert“. In Österreich wurde mit der Islamischen Förderation in Wien 1988 der erste Milli Görüş-Verband als Verein eingetragen. Mehrere Moscheen und Vereine, die später in diesen Verband aufgenommen wurden, gründeten sich aber schon weit früher. So etwa der Ortsverein Feldkirch im Jahr 1978.

Zentrale in Deutschland

Die Bewegung war nicht immer im Aufwind, in Deutschland hatte sie etwa gegen eine Abspaltung radikaler Anhänger zu kämpfen. Nach den Turbulenzen kam es zu einer Reorganisation in Europa. 1995 entstand die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG) in Köln. Ihr unterstehen die Regionalverbände in den anderen Staaten, in Österreich gibt es neben der Islamischen Föderation in Wien noch die Austria Linz Islamische Föderation und Avusturya Islam Federasyonu. Zusammen stellen sie 52 Moscheenvereine in Österreich.

Während die Macht der Bewegung in der Türkei durch den Aufstieg der AKP abnahm, gewann sie in Europa an Bedeutung. Der Fokus der IGMG und ihrer Regionalverbände verschob sich von der Unterstützung der Milli Görüş in der Türkei auf die politischen Ambitionen in Europa selbst. Doch was will die Bewegung, welche Ziele verfolgt sie her?

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