Gesundheit

Psyche von Kindern, Jugendlichen: Experte schlägt Alarm

Mangelndes Selbstwertgefühl von Jugendlichen ist eine der Spätfolgen der Corona-Pandemie
Mangelndes Selbstwertgefühl von Jugendlichen ist eine der Spätfolgen der Corona-Pandemie(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Die Zahl der Suizide von Jugendlichen und Kindern ist in Österreich um die Hälfte gestiegen. Durch Corona haben sich viele soziale Kontakte ins Internet verlagert. Problematisch sei, dass Reifungsprozesse so nicht möglich seien, „wie etwa Schmähführen oder harmlose Flirts“, so Peter Stippel, Vizechef des Psychotherapie-Verbands.

Die Corona-Pandemie hat weiterhin einschneidende Nachwirkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen: Das hat der Vizepräsident des Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), Peter Stippl, in einem Interview mit Kathpress erklärt. Die ausgefallenen Möglichkeiten direkten Kontakts habe bei den Heranwachsenden dazu geführt, dass viele kein gesundes Selbstvertrauen aufbauen konnten und mit Frust und Enttäuschungen schlechter zurechtkommen.

Zum Einzelgängertum neigende Kinder seien davon besonders betroffen. Die Trends bei der seelischen Gesundheit der jungen Altersgruppe in Österreich seien alarmierend, unterstrich Stippl. Die „Spitze des Eisberges“ sei dabei die österreichische Suizidstatistik für 2022, bei der es nach Jahren fallender Zahlen eine Gesamtsteigerung von 12 Prozent gab: Sie weise ein katastrophales Plus bei Kindern und Jugendlichen (bis 20 Jahren) von 55 Prozent auf. Dazu komme, dass Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie jüngst einen Anstieg wegen suizidaler Gefährdung um das Dreifache im Vergleich zum Niveau vor Corona gemeldet haben.

„Multiples Belastungsgeschehen“

Eine Folge der Pandemie sei die Verlagerung vieler Aktivitäten ins Internet gewesen, sagte Stippl. Problematisch sei dabei, dass viele wichtige Reifungsprozesse über Online-Kontakte nicht möglich seien, „wie etwa Schmähführen oder harmlose Flirts“, so der Experte. Allein auf Corona dürfe man die gestiegene Suizidalität freilich nicht zurückführen. Weit eher handle es sich dabei um ein „multiples Belastungsgeschehen“, bei dem auch steigender wirtschaftlicher Druck in den Familien, die Wahrnehmung von Umweltsorgen oder Kriegsszenarien in den Medien eine Rolle spielten.

Die Frage, was genau Kinder und Jugendliche so sehr belastet, und wie ein Entgegensteuern möglich wäre, hat der Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) als Ausgangspunkt für eine explorative Studie unter den eigenen Mitgliedern genommen. Erste Ergebnisse dazu werden am 19. Oktober im Rahmen einer Pressekonferenz in Wien (10 Uhr, Löwengasse 3, 3. Bezirk) vorgestellt. Sprechen werden dabei die beiden Studienautoren Peter Stippl und Markus Böckle, gemeinsam mit ÖBVP-Präsidentin Barbara Haid und Prof. Roland Bernhard von der Kirchlichen Pädagogische Hochschule Wien/Krems.

Große Hoffnungen äußerte Stippl in Bezug auf die soeben gestartete Kooperation des ÖBVP mit der KPH Wien/Krems. Konzepte und Materialien, die auf Aufbau und Stärkung von Lebenskompetenz und Resilienz Lernender abzielen, sollen dabei ausgearbeitet und bestehende Präventionskonzepte für den pädagogischen Bereich bekannter gemacht werden. Konkret in Planung sind präventiv wirkende Unterrichtsmodule sowie Fortbildungen zur Sensibilisierung von Schulleitungen und Lehrkräften. Ein Ziel dabei sei vor allem die schulische Charakter- und Persönlichkeitsbildung.

Hilfe bei Suizidgefahr

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 10-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55
Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30
Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142
Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147
Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at

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