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Abrieb schlimmer als Auspuff: Autoreifen als Dreckschleudern

Auch bevor sie irgendwo herum liegen, haben sie im Gebrauch die Umwelt stark belastet.
Auch bevor sie irgendwo herum liegen, haben sie im Gebrauch die Umwelt stark belastet. D-keine / Getty Images
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Autos verschmutzen durch den Abrieb ihrer Reifen die Umwelt stärker als durch ihre Auspuffe. Die Umstellung auf E-Mobilität vergrößert das Problem.

Immer wenn Starkregen niedergehen während der Laichzeit der Silberlachse an der Nordwestküste Nordamerikas, dann treiben bald viele der Fische vor Erreichen ihrer Ziele tot in den Flüssen, in der Nähe von Städten können es bis zu 90 Prozent sein. Man bemerkte es um die Jahrhundertwende und fand zunächst nur einen Namen – „Urban runoff mortality syndrome“ (URMS) –, die Ursache konnte Edward Koloziej (University of Washington) erst 2021 klären: Autoreifen bzw. ihr Abrieb bzw. eine Chemikalie darin: 6PPD. Die wird Reifen zugesetzt, um sie vor Versprödung durch Ozon bzw. Sauerstoff zu schützen, die Chemikalie wird dabei oxidiert, zu 6PPD-Chinon (6PPD-Q), das ist für die Lachse auch in geringen Konzentrationen tödlich (Science 371, S. 185).

Und Cassandra Johanessen (Montreal) hat es allerorten in nordamerikanischen Gewässern gefunden, selbst in den Großen Seen (Environmental Pollution 287, 117659). Ob auch Menschen Schaden nehmen können, ist nicht bekannt, allerdings nehmen sie es auf, es zeigte sich im Urin etwa schwangerer Frauen im Süden Chinas (Environmental Science & Technology Letters 9, S. 1056). Aber die indirekten Schäden durch das Sterben der Lachse – und anderer Fische, aber nicht aller – sind groß genug, dass das US-NGO Earth Justice im August im Namen der betroffenen Fischer Klage wegen Verstoßes gegen den Environmental Protection Act (EPA) einbrachte, indigene Flussanrainer forderten zur gleichen Zeit ein Verbot der Chemikalie (Yale 360, 19. 9.).

Jahr für Jahr kommen zwei Milliarden neue Reifen

Das ist die Spitze des Eisbergs bzw. Reifenbergs, der jedes Jahr um zwei Milliarden Stück erhöht wird, 2030 werden es 3,4 sein. Sie alle werden abgerieben und setzen einen toxischen Cocktail aus organischen Chemikalien, Schwermetallen und Partikeln frei, in der kleinsten Fraktion – unter zwei Nanometer – Millionen pro Kilometer. Das kommt vor allem von einem Teil des Ausgangsmaterials, es bestand zunächst nur aus Naturkautschuk, dem Charles Goodyear 1839 durch das von ihm entwickelte Verfahren der Vulkanisation größere Flexibilität und Widerstandsfähigkeit verleihen konnte, 1880 formte John Dunlop erstmals Reifen daraus, für Fahrräder.

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