Werkstätte und Bierlager waren einmal: Die Gösserhalle in Wien Favoriten ist jetzt ein Bürohaus.
Bürovisiten

In Schale geworfene Arbeitsplätze

Das Office als Repräsentationsobjekt zu nutzen, ist auch 2023 angesagt. Zu Besuch in drei ganz unterschiedlichen designaffinen Büros in Wien, Graz und Hörsching (OÖ).


Die Zeiten, als tonnenschwere Dampflokomotiven in den 1900 erbauten Werkshallen gewartet wurden und später die namensgebende Brauerei den markanten Backsteinbau als Bierlager nutzte, sind längst vorbei. Inzwischen gibt es – seit diesem Sommer – Mittagsmenüs und frisches Popcorn im Restaurant (Erdgeschoß), das wiederum Mitarbeitende des Mikro-Drink-Herstellers Waterdrop als Kantine nutzen. In ihre Büros haben sie es nicht weit. Denn das Unternehmen bezog im Juli sein Headquarter in den umgebauten Gösserhallen im Stadtentwicklungsgebiet Neues Landgut im 10. Wiener Bezirk. „Von der alten Halle stehen nur noch die ehrwürdigen Gebäudemauern“, sagt Friedrich Passler, Architekt und Mitgründer von Alles-wird-Gut-Architekten (AwG).

„Charakter und Atmosphäre“ kommen damit ins Grätzel, sagt Passler, der mit seinem Team für die Pläne und letztendlich für den kompletten Umbau der historischen Industrieimmobilie verantwortlich zeichnet. Hinter der backsteinernen Außenmauer mit ihren markanten Bögen befindet sich nun der dreistöckige Neubau samt Satteldach, und mit Waterdrop als Single-Office-Tenant. „Ursprünglich wurde das bis zuletzt sogar als Eventlocation genutzte Gebäude für die Multi-Tenant-Nutzung konzipiert“, erklärt Passler. Man könne sie jederzeit adaptieren, sodass mehrere Unternehmen einziehen können. Die knapp 200 Mitarbeitenden von Waterdrop sind erst vor wenigen Wochen mit Sack und Pack hier eingezogen.

Von Zonen und Nischen

Dass auf knapp 3200 Quadratmetern an Produktinnovationen getüftelt wird, fällt zumindest akustisch kaum ins Gewicht. Nicht einmal die berühmte Stecknadel könne man fallen hören. Sie würde, ganz weich gebettet, auf dem beigen Teppichboden landen. Wobei sich der schrittdämpfende Effekt als „Nice-to-have-Faktor“ herausstellt. Keine wie sonst üblich knarrende Parketten oder Laminatböden. Nein, hier wird in einer besonderen Ausstattungsliga gespielt – alles nahezu lautlos und im Flüsterton. So gut wie überall wurden die Innenwände mit Holzlamellen (heimische Eiche) verkleidet, die einen wichtigen Beitrag zu dem in sich ruhenden Gesamtbild leisten.

Dazu zählt auch „das in drei Bereiche aufgeteilte Gebäudeinnere, mit jeweils einer Mittelzone als zentralen Ort“, erklärt AwG-Architekt Florian Gottler. Diese „informellen Zonen“ werden von der Belegschaft zum Netzwerken und Plaudern genutzt. In jedem Stockwerk gibt es eine Nische mit einer kleinen Bar samt klassischer Büroausstattung: Dazu zählt eine Kaffeemaschine, der obligatorische Korb mit frischem Obst und (Maté-)Tee.

»Ursprünglich wurde das bis zuletzt sogar als Eventlocation genutzte Gebäude für die Multi-Tenant-Nutzung konzipiert.«

Friedrich Passler

Architekt und Mitgründer von Alles-wird-Gut-Architekten (AwG)

Der „Eyecatcher“ schlechthin ist im Eingangsbereich platziert: Es geht um den markanten Eichentisch, der nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch als Treffpunkt, für Gäste oder für Mittagessen genutzt wird. Gleich daneben befindet sich das halbrunde Empfangspult. Aber der Blick geht trotz all der farblich fein abgestimmten Raffinesse – helle Erdtöne der Wände harmonieren mit den Parketten – unabwendbar nach oben: Von der Rohbetondecke hängen in symmetrischer Anordnung zahlreiche Stableuchten. Eine anmutige Szenerie: Wie Sternschnuppen, die sich ihren Weg vom Bürohimmel nach unten bahnen und kurz vor dem Bodenkontakt einfrieren.

Innere und äußere Freiräume

Wieder zurück zu den flexiblen Bürozonen, die je nach Arbeitsphase an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst werden: Ganz unkompliziert lassen sich die Arbeitszonen um einige Tische verkleinern oder vergrößern. Ein weiteres Asset: die von den Erdgeschoßbüros zugänglichen Freibereiche. „Der Außenbereich wird für Pausen und Besprechungen genutzt“, sagt Gottler über das Angebot, sich nach draußen auf eine der Sitzbänke zu setzen.

Mit Entdeckungsfreude und Interesse am Gebäude eigne sich das Waterdrop-Personal also nach und nach sein neues Arbeitsumfeld an. „Kahl, aber trotzdem sehr cool“ wirke die Betondecke, bringt es eine junge Mitarbeiterin auf den Punkt. Kaum jemand vermutet, dass sich darunter die Leitungen für das Lüftungssystem verbergen. „Deshalb ist die Temperatur im gesamten Gebäude angenehm und wirkt nicht klimatisiert“, erklärt Passler. Bei dem Mix aus Holz, Metall und Beton kommen auch „Omapflanzen“ (Bogenhanf), wie Gottler das Grün in den Raumteilern nennt, zum Einsatz. Sie seien „retro und wieder hip“. So wie die Gösserhallen eben auch.

Glasklare Durchblicke

Rund 200 Kilometer entfernt, am Fuße des Rosenbergs in Graz, lässt sich auch Architekt Hermann Eisenköck gern vom An- und Ausblick seiner Arbeitswelt inspirieren: Ganz oben vom „schwebenden“ Baukörper des 2022 fertiggestellten Bürogebäudes sieht er auf einen bestehenden Skulpturenpark hinunter. Der von ihm geplante Bürobau in der Körblergasse 100 im 1. Obergeschoß ist, durch raumhoch verglaste Fassaden und Innenglastrennwände, transparent gestaltet und beherbergt die Mitarbeiter des Immobilien-Projektenwicklers K100. Ihnen bietet sich ein offener Grundriss an Bürofläche, rundum verglast, eingebettet in leichte Hanglage umgeben von jeder Menge Grün. „Unterteilt werden die Bürozonen lediglich durch ein paar raumtrennende Regale“, betont Eisenköck. Einige wenige besprechungsintensive Bereiche sind durch Glastrennwände deutlicher abgegrenzt.

Im Erdgeschoß umringt natursteinverkleideter Sichtbeton ein großes Studio mit Bibliothek sowie Technik- und Lagerräume. „Die fest mit dem Gebäude verbundene Kunst befindet sich im Stiegenhaus und wurde vom Konzeptkünstler Franz Graf gestaltet.“ Auf der auskragenden Ebene des Architekturbüros Eisenköck im zweiten Obergeschoß ist Durchblick auf allen möglichen Seiten des Neubaus garantiert.

»Unterteilt werden die Bürozonen lediglich durch ein paar raumtrennende Regale.«

Hermann Eisenköck

Architekt

Abgesehen vom lichtdurchfluteten Büro und den Flächen zur Präsentation von Architekturmodellen sind vor allem die Sichtbetoninnenwände Hingucker: Dort besticht ein Maria Lassnig ebenso wie ein Hermann Nitsch und zahlreiche andere Kunstwerke. „Die Bilder stammen aus der gemeinsamen Sammlung mit meiner Ehefrau, die Künstlerin ist“, erzählt Eisenköck. Heizung und Kühlung des Gebäudes mit rund 500 Quadratmeter Bürofläche übernimmt eine Wärmepumpe, die primär von der am Dach befindlichen Fotovoltaikanlage gespeist wird. In den Sichtbetondecken mit eingelegten Kühlschlangen findet thermische Bauteilaktivierung ihre Anwendung. „Wobei die Kühlung des Hauses gar nicht so relevant ist, denn die großflächigen Außenverglasungen befinden sich ohnehin größtenteils im natürlichen Schatten der Bäume“, erklärt der Architekt. Zusätzliche Verdunstungskälte wird durch die kaskadenförmige Brunnenanlage vor dem Hauseingang erzeugt, befüllt durch gesammeltes Regenwasser aus der eigenen Zisterne.

Sieben Personen sind es, die in dem Neubau derzeit tätig sind. Weitere aus dem Architekturbüro Eisenköck werden demnächst folgen. Am anderen Ende des Grundstücks herrscht aber ebenfalls Architekturbetrieb. Und zwar in einer historischen Villa mit modernem Zubau aus dem Jahre 2011: Dort ist einer der Standorte der Architektur Consult, ein Verbund von Architekturbüros, bei dem Eisenköck als geschäftsführender Partner agiert.

Frisches Gesicht, neuer Auftritt

Im oberösterreichischen Hörsching ging – wie oft üblich – mit einem Generationenwechsel auch der Wunsch einher, sich in einem neuen Licht zu präsentieren. Diesen erfüllt hat sich der junge Geschäftsführer des Gewürzherstellers Almi bei Linz mit einer neu gestalteten Chefetage, für deren Interieur Steininger designers & architects verantwortlich zeichnen.

Das internationale Parkett, auf dem man sich bewegt, ist etwas, worauf man bei Almi sehr stolz ist: Kunden und Geschäftspartner aus aller Welt werden oft am Hauptsitz des Unternehmens in Hörsching empfangen. Mit der Übergabe vom Senior- an den Juniorchef reifte auch die Idee, sich neu zu repräsentieren und den Büros der Chefs und des Prokuristen samt Empfangsbereich und Meeting-Raum ein frisches Gesicht und damit Almi einen neuen Auftritt nach außen zu verleihen. Beauftragt wurden Steininger designers & architects, die im bestehenden Gebäude – ein klassischer Industriebau aus den 1990er-Jahren – eine Fläche von etwa 300 Quadratmeter entkernten und um einen Anbau in Form eines schwarzen Kubus mit Terrasse erweiterten. „Das Projekt führt das Unternehmen in ein neues Zeitalter: exklusives Design, sehr hochwertige Materialien, und ein Konzept, das mit seinen Kontrasten und in den präzise entworfenen Details einzigartig ist“, sagt Martin Steininger.

Hell-dunkel-Kontraste

Klar war von Anfang an, dass farbliche Hell-dunkel-Kontraste eine wichtige Rolle spielen. Das Konzept beginnt im Empfangsbereich, wo dunkler Teppichboden auf Decken- und Wandverkleidungen aus hell gekalkter Eiche trifft. Um keine farblichen Ausreißer zu haben, präsentiert sich sogar das Firmenlogo, das sonst rot ist, ganz in Schwarz – abgestimmt auf die schwarz-weiße Landkarte, die schon beim Eintreten den Blick einfängt. Von hier aus gelangt man in einen separaten, lichtdurchfluteten Besprechungsraum. Über einen Korridor, der das Material- und Farbkonzept weiterverfolgt, gelangt man in die Büroräumlichkeiten der Chefs und des Prokuristen, durchgehend begleitet von einem Teppichboden, der die gesamte Etage bespielt.

»Das Projekt führt das Unternehmen in ein neues Zeitalter.«

Martin Steininger

Architekt

Herzstück des Projekts ist zweifellos das neue Büro des jungen Geschäftsführers, das im Anbau untergebracht ist: 90 Quadratmeter mit vorgelagerter Terrasse und einer Raumhöhe von sechs Metern. Das Schwarz des Kubus, das sich von außen über die Fensterteilungen und die Deckenkonstruktion in den Innenraum fortsetzt, geht in helle Stellmöblierungen und großflächige Wandverkleidungen aus heller gekalkter Eiche über.

Maßstäbe in neuem Licht

Im Kontrast dazu stehen präzise platzierte Schwarzstahlnischen, wo Kunst, Accessoires oder auch Unterlagen ihren Platz finden. Maßgefertigt sind auch die Innentüren mit besonderem Augenmerk auf die Akustik. Abgerundet wird all das vom vollflächigen Teppichboden in changierenden Grautönen. Dem eigentlichen Arbeitsplatz – eine Sonderanfertigung in Anlehnung an die Steininger-Küche „Block“ – steht ein ovaler Besprechungstisch aus schwarzem Glas gegenüber, über dem große, ringförmige Pendelleuchten aus brüniertem Messing angebracht sind. Ergänzt wird die Beleuchtung von Spots und Lichtbändern. Auch in den anderen Büros treffen Nischen aus schwarzem Stahl auf helle Eiche, alle Möbel sind auf individuelle Wünsche abgestimmt. Alles aus einem Guss eben.

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