Verlässlicher Assistent für Architekten und Projektleiter

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Im Vergleich zu vielen anderen Branchen hinkt die Bauwirtschaft beim Thema künstliche Intelligenz noch hinterher – erste KI-Lösungen zeigen sich vor allem auf dem Gebiet der Planung und im Projektmanagement.

Auf die Bauwirtschaft wird aktuell von vielen Seiten Druck ausgeübt, begonnen von den Baukosten bis hin zu den Anforderungen der Nachhaltigkeit. Die Bauwirtschaft ist für gut ein Drittel der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sie effizienter werden. „Ohne Digitalisierung und KI wird das nicht gelingen“, prophezeit Harald Kopececk, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau (ZAB) und Leiter der BauAkademie OÖ. In der Bauakademie werden Führungskräfte auf veränderte Arbeitsmethoden vorbereitet, damit die neuesten Technologien in den Unternehmen Einzug halten können. Die ZAB unterstützt vor allem KMU, wettbewerbsfähig zu bleiben und die neuesten Methoden zu integrieren. Während die Digitalisierung bei Bauentwicklung und Bauausführung in Österreich laut Kopececk auf einem hohen Niveau ist, etwa mit der digitalen Vermessung, hat sie bei Prozessen und Projektabwicklung noch Nachholbedarf. „Durch die digitalen Werkzeuge steigt die Produktivität und sinkt die Fehlerquote. KI-Lösungen könnten diesen Effekt sogar noch verstärken, allerdings stecken KI-Innovationen im Bau in ganz Europa noch in den Kinderschuhen.“

Erste gute Erfahrungen. 

Trotzdem gibt es sie, die Unternehmen, die KI-basierte Lösungen gezielt für die Bauwirtschaft anbieten. Prinzipiell ist KI in der Baubranche in nahezu allen Phasen eines Projektes einsetzbar, derzeit sind es vor allem Tools für Planung und Projektmanagement, die entstehen. „In der Bauwirtschaft gibt es viele Details, wie etwa Statikberechnungen, die sich automatisieren lassen und von der KI übernommen werden können“, sagt Kopececk, der sich auch für das Thema Arbeitnehmerschutz engagiert. „Auf Baustellen passieren viele Unfälle und die KI kann die Bauwirtschaft unfallsicherer machen.“

»Auf Baustellen passieren viele Unfälle und die KI kann die Bauwirtschaft unfallsicherer machen.«

 Harald Kopececk

Im Risikomanagement gibt es bereits gute KI-Lösungen, wie etwa die Früherkennungssoftware Early Bird des Wiener Unternehmens Conbrain Solutions. Bei großen Bauprojekten ist es nicht unüblich, dass in der Mailbox eines Projektleiters täglich Hunderte Mails eintreffen. Hier nicht den Überblick zu verlieren ist das eine, vor allem aber ist es eine große Herausforderung, die wichtigsten Mails zuerst zu bearbeiten. Early Bird ist eine KI-basierte Software, die alle Dokumente mittels intelligenter Texterkennung untersucht und sie farblich hervorhebt, wenn projektgefährdende Inhalte entdeckt werden. Hinter der Software steckt ein eigens entwickelter mathematischer Algorithmus. Die Dokumente werden je nach Risikopotenzial in grün (kein Risiko), gelb (leichtes Risiko) und rot (erhöhtes Risiko) eingefärbt. Rote Dokumente weisen zum Beispiel auf Inhalte hin, die sich um Bauzeitverlängerung, Mehrkosten, Mängel oder Schäden drehen und umgehend behandelt werden müssen, um Probleme abzuwenden. Dazu wurden der KI bisher rund 18.500 fachspezifische Baubegriffe beigebracht.

Im Team befinden sich neben IT-Experten und Bauingenieuren auch Linguisten und Psychologen, die der KI lehren, Emotionen zu erkennen. „Wenn zum Beispiel in einem Mail steht: ‚Der Plan ist schon wieder falsch‘, dann schwingt da Frustration mit und Early Bird färbt das im Text rosa ein“, erklärt Conbrain-Geschäftsführer Wolf Plettenbacher, der vor der Gründung des Start-ups rund 25 Jahre u. a. als Projektleiter auf Baustellen unterwegs war und auch als Sachverständiger tätig ist. Im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema „Krisen- und Turnaround-Management bei Großbauvorhaben“ stellte er fest, dass die KI ein wertvolles Tool ist, um aus der Datenflut in kürzester Zeit die Essenz herauszulesen. „Wir haben unserer KI rund 6500 Sätze beigebracht, anhand derer Emotionen wie Freude, Frust, Enttäuschung usw. abzulesen sind.“ Mittlerweile ist Early Bird rund drei Jahre im Einsatz. „Im Durchschnitt beinhalten rund zehn Prozent der Dokumente echte Risiken und der Projektleiter hat sie sofort bei der Hand.“

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Hausaufgaben erledigen. 

Noch besser natürlich, wenn es bei einem Bauprojekt erst gar nicht zu Risiken kommt, indem Prozessabläufe standardisiert sind. Anton Rieder, Geschäftsführer von Riederbau Kufstein, gehört zu den innovativen Vorreitern in der Digitalisierung. Er kann sich durchaus vorstellen, dass KI auch bei der Prozessoptimierung unterstützend eingreifen könnte, etwa mit Prozess-Mining-Systemen. „Aber das ist noch Zukunftsmusik. In einem ersten Schritt müsste ein großer Denkfehler in der Bauwirtschaft beseitigt werden: Dass individuelle Gebäude auch individuelle Ablaufprozesse benötigen. Erst wenn wir gelernt haben, in standardisierten Prozessen zu denken, ist der Grundstein gelegt, damit uns in weiterer Folge KI unterstützen kann“, so der innovative Tiroler Geschäftsmann. Sein Unternehmen wagt sich immer wieder an neue Technologien heran. Man verwendet zum Beispiel eine Statik-Software, die KI-basiert aus einer Fülle an statischen Lösungen je nach verlangter Bewertung die effizienteste, günstigste oder bestimmte Betongüte usw. hervorheben kann. „Wir halten die Augen für weitere KI-Lösungen offen. Eine gute Idee wäre KI zur Materialoptimierung, um bei einem Bauprojekt die Materialien zu optimieren. Dem stehen jedoch häufig Vorschriften entgegen, sodass Optimierungen gar nicht möglich sind.“ In den Bereichen, wo immer mehr Daten anfallen, wird die Menge an KI-Lösungen rasch zunehmen. Aktuell arbeitet Conbrain zum Beispiel an der Entwicklung von Blue Box, das KI-basiert beim Datenmanagement unterstützt. „Bei einem Bauprojekt fallen Unmengen von Dokumenten an. Am Ende des Bauvorhabens wird dem Bauherren eine vollständige Dokumentation übergeben, mit allen Dokumenten in den richtigen Ordnern. Blue Box automatisiert die Zuweisung der Dokumente in die richtigen Ordner.“ Eine weitere Erleichterung für den Projektleiter auf Großbaustellen.

Unterstützt statt ergänzt.

Müssen aber Architekten befürchten, dass sie bei der Planung maximal Kontrollfunktionen übernehmen, wenn die KI langfristig wesentliche Kompetenzen der Ingenieure ersetzt? „Es ist durchaus eine unserer Hoffnungen, dass KI zukünftig die Planung noch viel stärker beeinflussen wird“, sagt Albert Achammer, Geschäftsführer von ATP Hamburg. „ATP architekten ingenieure“ zählt zu den führenden europäischen Büros für integrale Planung. Seit 2012 plant ATP durchgehend digital mit BIM (Building Information Modeling). „Ähnlich wie BIM sehen wir künstliche Intelligenz als ein sehr leistungsstarkes und nützliches Werkzeug. Mit dem Computational-Design-Team ar­bei­tet ATP an Automatisierungslösungen für den Planungsprozess und bringt dadurch jetzt schon vereinzelte und spezifische KI-Lösungen in unsere Projekte. Wir suchen aktiv die Anwendung von KI, halten uns allerdings stets vor Augen, dass der Einsatz von KI-Applikationen nicht zum Selbstzweck wird. Als digitales und technologieaffines Unternehmen legen wir Wert darauf, dass die Technologie unsere Kernprozesse bestmöglich unterstützt und nicht andersherum.“ Die KI soll den Planern eher als fundierte zweite Meinung zur Verfügung stehen und auch viele Vorschläge für Alternativen bieten, die für einen Menschen in derselben Zeit unmöglich generierbar wären. „Dadurch werden die Architekten und Ingenieure nicht abgeschafft – ganz im Gegenteil: Es wird ihnen wieder mehr Zeit und Raum zur Verfügung stehen, um sich auf die Kernaufgaben einer Gebäudeplanung zu konzentrieren: nämlich im Zusammenspiel mit kreativen Lösungen vorauszudenken und starke Konzepte für die Menschen zu entwerfen.“ Klar ist jedoch auch, dass es Expertise bedarf.

» Architekten, die keine Kernkompetenzen besitzen, werden durch die künstliche Intelligenz tatsächlich ernsthafte Konkurrenz erhalten.«

 Conbrain-Geschäftsführer Plettenbacher

„Architekten, die keine Kernkompetenzen besitzen, werden durch die künstliche Intelligenz tatsächlich ernsthafte Konkurrenz erhalten“, glaubt Conbrain-Geschäftsführer Plettenbacher, sieht KI aber auch als wertvolles Instrument, den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. 

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DSGVO bremst KI ein.

Einer der größten Hemmschuhe in Europa für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz ist die strenge Datenregulierung. Davon kann etwa Plettenbacher ein Lied singen: „Wenn wir bei großen Unternehmen Early Bird vorstellen, dann sind die Techniker innerhalb einer Stunde überzeugt und wollen die Software haben, aber es dauert zehn Mal so lang, um mit der Datenschutzabteilung auf einen grünen Zweig zu kommen.“ Und das, obwohl Early Bird den DSGVO-Standards entspricht. Auch die europäische Politik setzt eher kontraproduktive Signale. ZAB-Geschäftsführer Kopecek würde sich lieber wünschen, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, die Betriebe animiert, in KI zu investieren. „Sonst überholen uns China, die USA und Australien bei der Entwicklung von Innovationen. Datenschutz ist wichtig, aber die Regulierungen und Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass Innovation dadurch nicht behindert wird und es uns gelingen kann, neue Entwicklungen schnell umzusetzen.“ Die Baubranche hinkt beim Einsatz von KI aber nicht nur wegen der Regulierungen und Rahmenbedingungen hinterher. „Anders als bei sprachbasierter KI, wie etwa Chat GPT, gibt es viel weniger verfügbare, homogene Daten, auf denen ein automatisierter Lernprozess durch KI aufbauen könnte. Auch dadurch hinkt die Branche hinterher“, sagt Achammer.

Auswirkungen auf Preise. 

Stellt sich die Frage, ob die Immobilienpreise sinken, wenn Bauprojekte durch KI immer effizienter werden? „Im momentanen Spektrum zwischen hohen Grundstückspreisen, Finanzierungs- und Baukosten liegt der Versuch, an den Baukosten zu sparen, natürlich nahe“, sagt Architekt Achammer. „Grundsätzlich glauben wir, dass jede Effizienz, die im Bauprozess zu niedrigeren Kosten führt, auch einen direkten Einfluss auf die Immobilienpreise hat. Dafür benötigt es erst einmal noch keine künstliche Intelligenz. Da glauben wir, dass man nur im Prozess, wie wir momentan arbeiten, schon ein Einsparungspotenzial von 30 bis 50 Prozent haben. Die KI kann hier in Zukunft sicher noch das eine oder andere Prozent rausholen.“

Klar ist, dass die künstliche Intelligenz Aufgaben und Arbeitsplätze in Bau und Architektur verändern wird. Für Bauunternehmer Rieder bedeutet das nicht zwingend einen Wettbewerbsvorteil: „Weil alle Zugriff auf dieselben Tools haben.“ Es ist also noch viel zu früh, um zu sagen, ob KI bloß ein weiteres nützliches Tool oder ein echter Gamechanger in der Bauwirtschaft ist. In einem ersten Schritt hilft uns KI tendenziell eher, bestimmte Dinge früher zu erkennen, um den enormen bürokratischen Aufwand, den es bei Bauprojekten gibt, zu reduzieren. In vielen Punkten ist heute aber noch nicht absehbar, was das für die Mitwirkenden bei einem Bauprojekt bedeutet.

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