Konzert

Trentemøller in der Arena: So muss Postapokalypse klingen

Der Däne Anders Trentemøller, hier bei einem Konzert in Kopenhagen, gastierte in der großen Halle der Wiener Arena
Der Däne Anders Trentemøller, hier bei einem Konzert in Kopenhagen, gastierte in der großen Halle der Wiener ArenaIMAGO/Gonzales Photo/Mathias Kristense
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Der dänische Remixer und Musiker Anders Trentemøller lockte zu einem düsteren Hochamt in die Wiener Arena. Dreampop, Shoegaze, Ambient und Techno – alles vermischte sich da.

Um gehaltvoll zu träumen, reichen angeblich 16 Grad im Schlafzimmer. Und so war es nicht ungünstig, dass der hiesige Wettergott auf regnerisch und kühl umgeschaltet hatte, um den von seinen Fans kultisch verehrten Anders Trentemøller willkommen zu heißen. Dieser lockte seine aus ganz Österreich herbeigepilgerten Fans in die prall gefüllte Wiener Arena. Da waren Techno-Geeks genauso vor Ort, wie Dream-Pop-Sanftler und Indiepop-Romantiker, schließlich sind die „Darklands“, in die der Däne unverzüglich lockte, geliebtes Habitat für unterschiedlichste Gemüter. Skandinavier behalten auch in unruhigen Gewässern und schwierigen Seelenlagen die Ruhe, sagt das Klischee. Dann gilt es, auch im Dämmer auf der Hut zu bleiben, ja mit einem offenen Auge zu schlafen. Wenn die nächtliche Parade der inwendigen Monster beginnt, dann fallen alle Masken. Dann ist der richtige Zeitpunkt, um mit Trentemøller tanzen zu gehen.

Der Bass war erwartungsgemäß hypnotisch, die ätherische Stimme der isländischen Sängerin Disa eindringlich. Trentemøller selbst drehte gelassen an den Knöpfen seiner modularen Synthesizer. Er selbst musste ja nicht in innerlichen Aufruhr geraten. Diese Rolle war für das Publikum vorgesehen. Und da rollten bei „One Eye Open“ bereits die Augäpfel vor Entzücken. Das war Dream-Pop-Deluxe, der dem Blick breite Fahrbahn für die großen, düsteren Gefühle gab.

Nach Anfängen als Remixer und DJ entwickelte sich die Musik Trentemøllers zu genreübergreifenden Hybrid, das Nachtschattengewächse flugs zum Blühen bringt. Bei „Glow“ glaubte man Kurzwellenradiogeräusche zu hören, die Erregung legte sich bald. Das Stück verklang kunstvoll in sanftem Keyboardstottern. Verlässlich lockte die Musik an versunkene Orte, an Stellen, an denen Dämmer herrschte und niemand genau wusste, wo der Tagtraum und Meditation enden und der Schlummer beginnt. „You‘re not dead or alive“ wiederholte Sängerin Disa zu beständig härter werdenden Rhythmuspatterns. Die Menge kam allmählich in Bewegung. Dramaturgisch klug geizte Trentemøller zu Beginn mit viszeralen Klängen. Da konzentrierte er sich andächtig auf melancholisch, schöne Texturen. Etwa bei „No More Kissing In The Rain“, einem verhuschten Popsong, der trotz Endzeitthematik auch im Vormittagsradio gespielt werden könnte. Ungemach kann auch sedierend sein. Eine Paradoxie, der sich Trentemøller musikalisch gerne stellt.

Ganz anders dann das klangliche Szenario des Instrumentals „When The Sun Explodes“. Da mischten sich umstandslos sehnende Synthieschleifen à la Klaus Schulze, Shoe-Gaze-Effekte und technoide Flächen. Genauso muss Postapokalypse klingen. Mit „Still On Fire“ erfolgte dann ein Rückgriff auf das Meisterwerk „Lost“, jenem Trentemøller-Album von 2013, dessen Melancholie eine Kälte hat, die an Joy Division gemahnt. Dominiert wurde dieses Instrumental von einem elegant dahinrappelnden Rhythmus und vielschichtigen Drone-Klängen in denen sich das Heimliche mit dem Unheimlichen verband. Es war eine Art Eintauchen in ein imaginäres Mystery Movie. Was war zuerst, der Schuss oder die Wunde? Das Gehirn ratterte, die Beine beteten komplexe Rhythmen. Jetzt war die Stimmung am Kochen.

Trentemøller verstand es auch an diesem Abend famos, wehe Melodien mit brachialen Beats zu mischen. Etwa mit „Silver Surfer, Ghost Rider Go!!“, der umjubelten Zugabe, zu der abgehottet wurde, als gäbe es kein Morgen. Die Besucher holten jetzt das letzte aus sich heraus, um würdig den „Apo-Calypso“ zu tanzen. Die Übung glückte. 

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