Interview

„Es könnte in Gaza wie in Stalingrad werden“

Die islamistische Hamas hat sich im Gazastreifen verschanzt. Hamas-Kämpfer an der Grenze zu Israel.
Die islamistische Hamas hat sich im Gazastreifen verschanzt. Hamas-Kämpfer an der Grenze zu Israel. APA / AFP / Mahmud Hams
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Militärexperte Sean McFate über Israels Offensive gegen die Hamas, die richtige Strategie gegen Putin, die Rolle von Söldnern und darüber, warum man Kriege heute anders führt.

Die Presse: Israel hat moderne Hightechstreitkräfte. Trotzdem konnte die Hamas ihren massiven Terrorüberfall durchführen. Wie konnte das passieren?

Sean McFate: 2006 ist etwas Ähnliches passiert, als die Hisbollah im Norden Israels zwei Geiseln in den Libanon verschleppt hat. Aber die Hamas hat nun weit mehr als 100 Menschen entführt. So wie damals gab es jetzt ein strategisches Geheimdienstversagen. Die Israelis versuchten, die Hamas im Gazastreifen mit ökonomischer Kriegsführung und Eindämmung unter Kontrolle zu halten. In der Hoffnung, die Hamas damit so zu schwächen, dass sie nur mehr ein Gefahrenfaktor wie etwa organisierte Kriminalität ist. Aber das hat nicht funktioniert.

Welche militärischen Möglichkeiten hat Israel nun?

Wenn Israel die Hamas auslöschen will, braucht es Soldaten am Boden im Gazastreifen. Und die Israelis sind womöglich mit einer schrecklichen Wahl konfrontiert: Sollen sie die Geiseln opfern, um die Hamas ein für alle Mal auszulöschen? Nehmen sie massive Kollateralschäden in Kauf, um die Hamas ein für alle Mal auszuschalten? Ich fürchte, es wird ein Blutbad geben. Die Israelis werden wohl Soldaten reinschicken und jedes Haus säubern müssen. Es könnte in Gaza wie in Stalingrad werden.

Das bedeutet, dass Israel vor allem auf sein konventionelles Arsenal wie Flugzeuge und Panzer zurückgreifen wird?

In einem städtischen Umfeld können Panzer leicht blockiert werden. Da ist es einfacher, mit kleineren gepanzerten Fahrzeugen vorzurücken. Die Israelis werden mit Panzern wohl vor allem den Gazastreifen abriegeln. Zugleich werden sie Gebäude aus der Luft bombardieren und dann Soldaten reinschicken, um die Ruinen zu durchsuchen. Sie werden mit ihrer Aufklärung versuchen, bei ihren Angriffen so präzise wie möglich zu sein. Aber die Hamas hat in Gaza Befestigungsanlagen und Tunnelsysteme angelegt. So wie 2006 beim Kampf gegen die Hisbollah im Südlibanon könnte Israel nun auch im Gazastreifen von Befestigungen und Sprengfallen überrascht werden. Das Ganze zeigt auch: Kriege werden heute anders geführt.

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