Junge Forschung

Big Data in der Krebsevolution

Er freut sich, zur Lösung einiger Schlüsselfragen der Evolution bei Kinderkrebs beitragen zu können: George Cresswell.
Er freut sich, zur Lösung einiger Schlüsselfragen der Evolution bei Kinderkrebs beitragen zu können: George Cresswell.Clemens Fabry
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Mit Unmengen an Daten will George Cresswell der Entwicklung von Nierenkrebs bei Kindern auf die Spur kommen. Er nutzt bioinformatische Methoden für bessere Prognosen.

„Es ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt George Cresswell über seinen Forschungsalltag. Die „Nadel“, die er aufspüren will, sind genetische Mutationen in Genomen von Krebspatientinnen und Krebspatienten. Seit Juni forscht der Brite mit diesen riesigen Datenmengen an der St. Anna Kinderkrebsforschung (St. Anna Children’s Cancer Research Institute, CCRI) in Wien. Sein Hauptfokus liegt auf Nierenkrebs bei Kindern.

Alle Krebsarten entstehen durch die Anhäufung von Mutationen. Das sind Veränderungen der genetischen Information in den Zellen. Dabei gibt es einerseits punktuelle Veränderungen, wenn einzelne Bausteine der DNA ausgetauscht werden. Andererseits treten auch jene Mutationen auf, die Cresswell besonders interessieren: Änderungen der Anzahl der Gen-Kopien.

Nach Mustern suchen

Im Menschen liegt DNA in Form von Chromosomenpaaren vor, wobei bei der Zellteilung jede neue Zelle wieder dieselbe Anzahl an Chromosomen erhalten muss. Kommt es bei diesem Kopiervorgang zu Fehlern, verändert sich die Anzahl, wie der ausgebildete Biochemiker beschreibt: „Normalerweise würde man immer zwei Kopien in den Zellen erwarten, und alles, was nicht zwei ist, wird als ,Copy Number Alteration‘ bezeichnet. Was mich interessiert, ist, dass man bei Chromosomenveränderungen häufiger die gleichen Veränderungen sieht, weil der Mensch nur 23 Chromosomenpaare hat. So können sich die Veränderungen in verschiedenen Zellen desselben Patienten wiederholen.“

Einige Mutationen bringen den Zellen einen Überlebensvorteil und sammeln sich so an, weil sie bei der Zellteilung immer weitergegeben werden. „Bestimmte Krebsarten neigen dazu, bestimmte Kopienzahlveränderungen zu selektieren, und wir suchen nach solchen Mustern“, erklärt Cresswell.

„Man kann also sagen: Wenn die Zellen Mutationen A und B entwickelt haben, dann haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass oft Mutation C folgt, die dann einen aggressiveren Verlauf verursacht. Wenn wir also die Vergangenheit verstehen, können wir möglicherweise auch die Zukunft vorhersagen.“ So hofft der Neo-Wiener in Zukunft mit seiner Forschung auch zu besseren und gezielteren Krebstherapien beitragen zu können.

Von Anfang an war für Cresswell klar, dass die Entwicklung von Krebs eine Art der Evolution ist. „Es handelt sich um ein wiederholbares System für jedes Individuum, kein Krebs gleicht dem anderen, aber sie durchlaufen die gleichen Evolutionsprozesse. Das Ziel ist es, nach Ähnlichkeiten in diesen Prozessen zu suchen“, sagt er.

»Wenn wir die
Vergangenheit verstehen, können wir
möglicherweise auch die Zukunft vorhersagen.«

George Cresswell

Krebsforscher

Den ersten Kontakt mit der Krebsforschung hatte Cresswell bei einem Forschungsaufenthalt 2011 in Wien. „Ich habe meine Zeit in Wien damals wirklich genossen, es ist eine großartige Stadt. Sie ist groß genug, um unterhaltsam zu sein, aber klein genug, um sich nicht überfordert zu fühlen“, beschreibt er seine Gründe, wieder zurück nach Österreich zu kommen.

Von der Philosophie lernen

„Natürlich gibt es auch tolle Forschungsinstitute hier. Die Wissenschaft ist aber nicht alles in meinem Leben, obwohl sie für mich sehr wichtig ist. Man muss auch andere Dinge machen, um sich für die Wissenschaft wieder inspirieren lassen zu können“, sagt der Fußballfan, der in Österreich ein begeisterter Anhänger des First Vienna Football Club 1894 ist. Um von anderen Disziplinen zu lernen, interessiert sich der 32-Jährige auch für Philosophie und Politik.

Aktuell liegt der Fokus aber auf dem Aufbau seiner Arbeitsgruppe, um ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit einem gemeinsamen Forschungsziel zu etablieren.

„Ich freue mich, meine Ideen mit Leuten zu teilen, die dann eigene Gedanken entwickeln, was zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen kann. Und damit zur Lösung einiger Schlüsselfragen der chromosomalen Instabilitäten und Evolution bei Kinderkrebs beizutragen.“

Zur Person

George Cresswell (32) forscht mit bioinformatischen Methoden an Nierenkrebs bei Kindern. Er studierte an der University of Manchester, England, und absolvierte den PhD am Francis Crick Institute in London. Nach seiner Zeit als Postdoc dort baut er seit Juni 2023 eine eigene Arbeitsgruppe an der St. Anna Kinderkrebsforschung in Wien auf.

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