Filmkritik

„DogMan“: Luc Bessons zornige „Paw Patrol“

Auf den Hund gekommen: Caleb Landry Jones in „DogMan“.
Auf den Hund gekommen: Caleb Landry Jones in „DogMan“.Polyfilm
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Im neuen Thrillerdrama des französischen Kultregisseurs ist das Leben ein Hund, dem nur mit Hundehilfe beizukommen ist: Übersteigertes Gefühlskino mit einem tollen Caleb Landry Jones.

Es gibt einen Vers, der – wahrscheinlich fälschlicherweise – Franz von Assisi zugeschrieben wird: „Dass mir der Hund das Liebste sei, sagst du, o Mensch, sei Sünde? Der Hund blieb mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde!“ Treue und Hunde, so lernen wir hier, gehören für tierliebe Menschen zusammen. Im Allgemeinen ist der Hund als Sinnbild ja eine Kippfigur, die wenig Raum für Zwischentöne lässt. Oft wird die Familie der Canidae zum abschreckenden Beispiel für Verkommenheit erklärt. So heißt es im Neuen Testament: „Hütet euch vor den Hunden, hütet euch vor den schlechten Erntearbeitern“.

Der französische Regisseur Luc Besson hingegen outet sich mit „DogMan“ als bedingungsloser Hundefreund – und stellt seinem neuen Thrillerdrama ein Zitat des Lyrikers Alphonse de Lamartine voran: „Wo immer ein Unglücklicher ist, schickt Gott einen Hund“. Der Unglückliche, um den es im Film geht, heißt passenderweise Doug, kurz für Douglas. Verkörpert wird er von Caleb Landry Jones. Ein Glücksfall für den unlängst von einem Vergewaltigungsvorwurf freigesprochenen Besson, dass er das 33-jährige Schauspieltalent aus Texas für sein Projekt gewinnen konnte: Schwer vorstellbar, dass „DogMan“, ein gleichermaßen berührender, beklemmender wie belämmerter Film, es sonst in den Wettbewerb des heurigen Filmfests von Venedig geschafft hätte. Jones’ bemerkenswerte Leinwandpräsenz ist der Ankerpunkt, der die widerstreitenden Elemente seines Genre-Flickwerks zusammenhält.

Doug ist, wie so viele Besson-Protagonisten, ein Gezeichneter: Von klein auf geschunden vom bigotten Prügel-Papa und dem sadistischen älteren Bruder, wurde er dereinst in einen Hundezwinger gesperrt und dort der Verwilderung überlassen. Das wissen wir, weil er es uns bzw. einer Polizeipsychologin (Jojo T. Gibbs) erzählt, beim regelmäßigen Plausch in der Gefängniszelle.

Stück für Stück entblättert sich, wie er dorthin gekommen ist, doch eigentlich ist es von Anfang an klar: Ein Blick in Dougs verhärmtes Antlitz reicht, um zu sehen, dass die Boshaftigkeit der Welt und des niederträchtigen Menschengeschlechts ihn gezwungen hat, sich gewaltsam zur Wehr zu setzen.

Dieses Pathos des gerechten Zorns bildet seit jeher das zentrale Leitmotiv von Bessons filmischem Schaffen. Von „Nikita“ über „Léon – Der Profi“ bis hin zu „Lucy“ und „Anna“, immer wieder geht es beim 64-jährigen Action-Spezialisten um reine und unschuldige Seelen, die aus der Not heraus zu eiskalten Killern mutieren (müssen): Die eigentümliche Macht- und Rachefantasie eines Mannes, der sich selbst als Sensibelchen sieht.

Wie selbstgerecht und passiv-aggressiv diese Erzählschablone ist, schien allerdings noch nie so deutlich durch wie in „DogMan“. Dougs Hin und Her mit der Psychologin, die seine illusionslose Weltsicht herausfordert, bleibt Spiegelfechterei: Besson gibt seiner Hauptfigur in allen Punkten Recht.

Dragqueen mit Hundebande

Zugleich macht genau diese Unverschämtheit die melodramatische Kraft des Films aus, ein hemmungsloses Zuviel, das die US-Kritik in Venedig zu rabiaten Verrissen hinriss. Dougs mit überheblicher Bescheidenheit vorgetragene Leidensgeschichte stilisiert ihn zum Schutzheiligen aller Gottverlassenen: Von der Normgesellschaft verschmäht, reüssiert er im Nachtklub als Dragqueen mit Playback-Darbietungen von Edith-Piaf-Songs.

Nebenher beschützt er mit seiner ergebenen Hundebande die kleinen Leute aus der Nachbarschaft vor einem brutalen Drogenbaron. Ach ja: Doug kann mit Hunden sprechen, sein Wort ist ihnen Befehl. Warum? Egal: Wir sind im Märchen, in einer düsteren „Paw Patrol“-Episode. Je weniger man darüber nachdenkt, desto stimmiger wirkt’s. Zumal Jones’ hochintensive Performance frei ist von jeglicher Ironie und Distanz. „DogMan“ ist übersteigertes Gefühlskino zum Hassen und Lieben. Kalt lässt es einen nicht.

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