Gastkommentar

Die Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen

Andi Bruckner
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Replik. Es braucht auch jetzt sowohl humanitäre Hilfe als auch Entwicklungszusammenarbeit in palästinensischen Gebieten.

In Anbetracht der aktuellen Diskussion über Entwicklungszusammenarbeit dürfen wir die schwerwiegenden Auswirkungen ausgesetzter Mittel nicht außer Acht lassen. Die Leidtragenden sind nämlich jene Menschen, die Österreich eigentlich unterstützen möchte: All jene, die bereits in prekären Verhältnissen leben und auf Hilfe angewiesen sind, um ihren Alltag bestreiten zu können. Daher ist es zentral, den positiven Einfluss professioneller und effizienter Hilfe auf das Leben dieser Menschen – vor allem Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und alten Menschen – anzuerkennen. Denn Entwicklungszusammenarbeit wirkt dreifach: Sie kann dazu beitragen, unterschiedlichen Krisen vorzubeugen, sie einzudämmen und zu bewältigen. Im Kontext des Konflikts im Nahen Osten sorgt sie für Stabilität, rechtstaatliche und demokratische Strukturen sowie für bessere Versorgungsstrukturen.

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Einfrieren ist keine Lösung

Konkret geht es um das Einfrieren und zusätzliche Prüfen von knapp 19 Mio. Euro für Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die österreichische Nichtregierungsorganisationen in palästinensischen Gebieten zwischen 2020 und 2025 setzen. Die Entwicklungszusammenarbeit unterliegt der strikten Überwachung der österreichischen Behörden sowie weiteren Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass die Gelder ordnungsgemäß verwendet werden. Diese tragen dazu bei, dass Mittel nicht unkontrolliert abfließen und verhindern ihren Missbrauch.

In diesem Zusammenhang verschreiben sich österreichische Nichtregierungsorganisationen als Akteurinnen der Entwicklungszusammenarbeit höchster Transparenz und Professionalität. Sie unterziehen sich jährlichen externen Wirtschaftsprüfungen, sind in ständigem Kontakt mit lokalen Behörden und arbeiten – wie es die österreichische Regierung in ihren entwicklungspolitischen Strategien verankert hat – eng mit der lokalen Zivilgesellschaft zusammen. Viele Organisationen tragen das Österreichische Spendengütesiegel, das strenge Kriterien gegen Terrorismusfinanzierung vorschreibt, und arbeiten entlang klarer Antikorruptionsrichtlinien. Finanztransaktionen erfolgen über regulierte Kanäle. Kurzum, die Sicherheit der Gelder und die Effizienz der Projekte sind Grundlage ihrer Arbeit.

Was passiert mit der Hilfe?

Es ist unbestritten, dass entwicklungspolitische Maßnahmen im Globalen Süden zu einem menschenwürden Leben für alle beitragen. In Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten möchten wir als Beispiel anführen, dass österreichische Projekte die Chancen von Frauen und jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessern: Nach Angaben der International Labour Organization war zuletzt nicht einmal eine von fünf Frauen erwerbstätig, über 50% der Bevölkerung des Gazastreifens gelten als arm. Programme der Entwicklungszusammenarbeit bieten jungen Menschen bessere Zukunftsperspek­tiven und verringern die Gefahr einer Radikalisierung. Ebenfalls tragen von Österreich mitfi­nanzierte Projekte dazu bei, den Zugang zu Trinkwasser und Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Falsche Schlüsse gezogen

Gleichzeitig arbeiten Vertreterinnen und Vertreter der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam daran, die Qualität der Entwicklungspolitik ständig weiter zu verbessern. Es ist daher bedauerlich, dass der Leitartikel von Josef Urschitz in der „Presse“ (11. Oktober 2023) die positiven Ergebnisse dieser Arbeit nicht hinreichend würdigt und ­darin die Professionalität der Entwicklungszusammenarbeit in ­Österreich und der EU infrage stellt.

Der Leitartikel unterstellt der Entwicklungszusammenarbeit unter anderem, eine Quelle der Korruption zu sein und wirtschaftliche Entwicklung zu behindern. Sie trage nur wenig zur Verbesserung der Lebenssituation der betroffenen Bevölkerungen bei und die Mittel würden nicht für vereinbarte Ziele verwendet werden. ­Zudem suggeriert er, dass Gelder der Entwicklungszusammenarbeit für Waffen von Terrororganisationen in den palästinensischen Gebieten verwendet werden könnten.

Des Weiteren zieht der Artikel ein Arbeitspapier der Weltbank, das sich mit Zahlungseingängen in Offshore-Finanzplätzen infolge von Unterstützungszahlungen der Weltbank an 22 besonders arme Staaten auseinandergesetzt hat, als Beleg genereller Korruption heran. Es ist wichtig zu betonen, dass Zahlungen der Weltbank in keinem Zusammenhang mit der Entwicklungszusammenarbeit Österreichs stehen und keineswegs vergleichbar sind.

Aus dem Kontext gerissen

Solche aus dem Kontext gerissene Darstellungen verzerren die tatsächliche Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit. Werden die dafür notwendigen Maßnahmen und Mittel eingefroren, erschwert das einen späteren Übergang von dringend benötigter akuter Nothilfe zu langfristiger Unterstützung für ein menschenwürdiges Leben.

In diesem Sinn wird auch die Rolle der entwicklungspolitischen Informationsarbeit zusehends wichtiger, um globale Zusammenhänge adäquat darzustellen und zu vermitteln.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Profil

Lukas Wank (*1985) ist Geschäftsführer der „Globale Verantwortung – Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe“, dem Dachverband von 33 österr. entwicklungspolitischen und humanitären Nichtregierungsorganisationen. Ihre Mitgliedsorganisationen führen jährlich tausend Projekte in 120 Ländern der Welt durch.

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