Der 7. Oktober bedeutete eine Zäsur für jüdisches Leben weltweit. Warum ich nun Angst habe – auch vor mir selbst.
Es gibt Ereignisse, die das Leben in ein Vorher und ein Nachher unterteilen. Der 11. September 2001 beispielsweise, als ich das Konzept des Terrors kennenlernte und die Frage, ob Kriege ihn auslöschen können. Oder der 16. März 2020, als wir während der Lockdowns lernten, wie es ist, vor etwas Angst zu haben, das unsichtbar und übermächtig und zugleich sehr real ist. Und der 7. Oktober 2023. Der Nahostkonflikt eben, dachte ich zunächst, als ich die Benachrichtigungen an jenem Samstagmorgen überflog. Ich war es leid, dass die politische Lage dort ausweglos schien, die Spannungen regelmäßig hochkochten und dann jedes Mal der Antisemitismus weltweit laut wurde. Dass der Nahostkonflikt dabei lediglich als Projektionsfläche diente, war mir bewusst, nicht aber, welche Grausamkeiten die Welt darauf akzeptieren würde.
Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.
Doch als das Wochenende verging, wurde immer deutlicher, dass viel mehr geschehen war als ein Wiederaufflammen des Konflikts. Das war ein Terroranschlag, ein Massaker, ein Pogrom. Nie seit Ende der Shoah sind so viele Jüdinnen und Juden innerhalb weniger Stunden so gezielt und perfide ermordet worden. Diese Referenz zu verwenden, halte ich, anders als „Presse“-Redakteurin Anne-Catherine Simon hier argumentierte, für angebracht. Die Phrase wird nicht benutzt, weil man sich im „Überzeugungs- und Kampfmodus“ befindet, wie Simon schreibt. Sondern, weil sie stimmt. Hier ging es um die Vernichtung von Jüdinnen und Juden. Es ist eine Zäsur, auch weil Israels Versprechen der Sicherheit für Jüdinnen und Juden nun endgültig dahin ist.