Gaza

Wie sich der Sohn des Hamas-Gründers gegen die Hamas stellt

Nach dem Massaker der Hamas an Israelis bombardiert die israelische Armee Stellungen am Gazastreifen.
Nach dem Massaker der Hamas an Israelis bombardiert die israelische Armee Stellungen am Gazastreifen.APA / AFP / Jack Guez
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Mosab Hassan Yousef ist der Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef und hat für den israelischen Geheimdienst spioniert. Ein zweiter Sohn, der sich ebenfalls von der Hamas abgewendet haben will, kam in Österreich in Haft.

Im Jahr 2017 kam es vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf zu einem Eklat. Bei der Frage um den Nahost-Konflikt ergriff, auf Einladung von UN Watch, ein Mann namens Mosab Hassan Yousef das Wort. „Ich bin in Ramallah aufgewachsen, als Mitglied der Hamas“, begann Yousef seine Rede – und holte anschließend zu einem Rundumschlag gegen die Organisation aus. Die Vertreter arabischer Staaten, die zuvor gegen Israel ausgeholt hatten, verfolgten beinahe fassungslos die Rede. „Die Palästinenser haben euch nicht gewählt und euch nicht als ihre Führer bestimmt“, sagte Yousef mit Blick auf die palästinensischen Behörden. „Woher kommt eure Legitimität?“ Er warf ihnen Folter, Entführung und die permanente Verletzung von Menschenrechten vor.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Yousef längst in den USA. Dorthin war er geflüchtet, nachdem seine Identität als Spion aufzufliegen drohte. Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet hatte Yousef als 18-Jährigen rekrutiert – und zwar auch deswegen, weil Yousef der Sohn des Hamas-Mitbegründers Hassan Yousef ist. Somit bewegte sich der Teenager direkt in der Zentrale der Terrororganisation. Als Chauffeur und rechte Hand seines Vaters erfuhr Yousef alles aus erster Hand. Er soll zahlreiche Anschläge verhindert haben.

„Ich wollte ein ,Freiheitskämpfer‘ werden“

Seit Beginn des neuen Krieges in Nahost werden die sozialen Medien mit früheren Reden von und Interviews mit Mosab Hassan Yousef überflutet. Er dient als Zeuge der Brutalität jener Terrororganisation, in deren Mitte er aufgewachsen ist. Yousef wurde 1978 in Ramallah geboren. Seine gesamte Kindheit sei von Hass geprägt gewesen, erzählte er einst. „Ich wollte etwas Großes machen, eben ,Freiheitskämpfer‘ werden“, sagte Yousef der Basler Zeitung, „so nannten wir das damals.“

Bei einem Waffenkauf wurde der junge Yousef von der israelischen Polizei verhaftet und gefoltert. Im Gefängnis kam auch das Angebot des israelischen Geheimdienstes, das er annahm – zunächst mit dem Ziel, Doppelagent zu werden. Es war auch im Gefängnis, als er die brutalen Methoden der Hamas intensiver kennenlernte. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, wie die Hamas in den Gefängnissen regiert.“ Nach seiner Rekrutierung sei in den ersten drei Jahren nichts passiert. Eigenen Angaben zufolge schloss er seine Ausbildung ab und beschäftigte sich mit Themen wie Menschenrechte und Demokratie. Im Laufe der Zeit nannte er den Israelis etwa die Namen von Drahtziehern von Selbstmordattentätern oder Details zur zweiten Intifada.

Zehn Jahre lang fungierte Yousef als Spion für die Israelis, später konvertierte er eigenen Angaben zufolge zum Christentum. Shin Bet nannte ihn den „grünen Prinzen“, er war eine wichtige Quelle für den Geheimdienst. Yousefs Kontaktperson innerhalb des Shin Bet war Gonen Ben Itzhak, ein Rechtsanwalt, der zuletzt als Führer der Proteste gegen Premier Benjamin Netanyahu in Erscheinung getreten ist.

Im Jahr 2007 verließ Yousef das Westjordanland, als sich die Wege von Shin Bet und Yousefs Kontaktperson Ben Itzhak trennten. Yousef floh in die USA und stellte einen Asylantrag, doch dieser wurde zunächst abgelehnt – eben weil Yousef enge Verbindungen zur Hamas hatte. In einem ungewöhnlichen Schritt gab Ben Itzhak vor den US-Behörden seine Identität preis und bestätigte Yousefs Tätigkeit für den Geheimdienst. Die Geschichte beider Männer ist in der Dokumentation „Der grüne Prinz“ (2016) von Nadav Schirman zu sehen.

Heute tritt Yousef auf der ganzen Welt auf, spricht über seine Erfahrungen und stellt sein Buch vor („Sohn der Hamas – mein Leben als Terrorist“). „Hamas ist eine gewalttätige Bewegung“, sagt er, „sie können ihren Frust nur durch Terrorismus und Gewalt ausdrücken.“ Doch steht Yousef auch in der Kritik. „Im Islam gibt es keine Toleranz“, sagte er in einem seiner Interviews. Er selbst begreife sich zwar als Christ, doch distanziere er sich von den christlichen Institutionen. Zuletzt gab er dem rechtskonservativen US-Sender Fox News ein Interview.

Zu seiner Familie habe er, der älteste Sohn Hassan Yousefs, keinen Kontakt, betont er immer wieder. Vor wenigen Jahren floh ein weiterer Sohn des Hamas-Gründers, S., und zwar nach Europa. S. operierte für die Hamas von der Türkei aus. „Hamas ist auf türkischem Boden aktiv und gibt sich als zivilgesellschaftliche Organisation aus“, so S. – eigentlich würden hier unter anderem geheimdienstliche Informationen zusammengetragen oder Anschläge geplant.

S. will also auch die Hamas verlassen haben. Nach seiner Flucht landete er in Österreich. Jemand erkannte ihn vor zwei Jahren in einem Asylwerberheim in Eisenstadt, er kam in U-Haft. Die Behörden vermuten, dass die Abkehr von Hamas auch nur eine Tarnung sein könnte. (red.)

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