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„The Other Black Girl“: Die Gefahr steckt im Haar

Neben Nella (Sinclair Daniel, li.) fühlt sich Hazel (Ashleigh Murray) nicht mehr als „Quoten-Schwarze“.
Neben Nella (Sinclair Daniel, li.) fühlt sich Hazel (Ashleigh Murray) nicht mehr als „Quoten-Schwarze“.Disney
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Die Serie „The Other Black Girl“ steht in einer neuen, vergnüglich subversiven Erzähltradition der afroamerikanischen Popkultur. Die Serie reflektiert das Thema Rassismus über Locken. Zu sehen auf Disney+.

Man kennt den Begriff der „Quotenfrau“: In Männergesellschaften, die sich einen progressiven Anstrich geben wollen, kann sich die einzige Frau mitunter so vorkommen. In Zeiten der Diversitätsanforderungen beschränken sich solche nicht selten abwertend benutzten Zuordnungen nicht nur auf das Geschlecht. Nella Rogers (Sinclair Daniel) zum Beispiel fühlt sich oft als „Quoten-Schwarze“.

Sie arbeitet in der Serie „The Other Black Girl“ als einzige afroamerikanische Frau in einem New Yorker Verlagshaus. Nella geht gefasst mit den täglichen, teils unbewussten Alltagsrassismen ihrer Kollegen um. Wenn etwa die blonde Praktikantin ihr treudoof einen Artikel über „Schwarzsein in weißer Arbeitsumgebung“ empfiehlt. Oder sie gebraucht wird, um Kanye West oder andere Phänomene der Black Culture zu erklären.

Nella ist deshalb hoch erfreut, als plötzlich eine zweite schwarze Frau im Verlag auftaucht. Sie versteht sich auch auf Anhieb gut mit Hazel (Ashleigh Murray), während diese ihrer besten Freundin Malaika  (Brittany Adebumola) von Anfang an suspekt ist. Im Verlauf der Serie zeigt sich, dass Malaika den besseren Riecher hat – im wahrsten Sinn des Wortes.

Über die Kopfhaut sediert

Denn ein nicht zuordenbarer, aber doch recht verführerischer Geruch umweht Hazel, also eigentlich ihre üppigen Dreadlocks. Der kommt von einem Haarpflegeprodukt, das die neue Kollegin auch Nella aufschwatzen will. Nur dass diese Haarbutter Nebenwirkungen hat. Irgendwie sind nämlich alle, die sie verwenden, seltsam. Extrem erfolgreiche schwarze Frauen, die allesamt das Aufzeigen von Ungerechtigkeiten aufgegeben haben.

Diese über die Kopfhaut sedierten Frauen beherzigen das Prinzip: Man soll „woke“ sein, aber sich trotzdem ein bisschen Verschlafenheit gönnen. Denn nur so kommt man in der Gesellschaft voran: Einfach mal die Augen zudrücken, wenn wieder ein Schwarzer von der Polizei erschossen wird. Einfach mal die Jahrhunderte der Unterdrückung nicht immer so verdammt ernst nehmen. Dafür schaut dann auch ein fair bezahlter Job raus. So eine Entwicklung würde Trump-Wählern sicher gefallen.

Nicht nur durch diese provokante These ist der auch sehr witzige Roman „The Other Black Girl“ von Zakiya Dalila Harris, auf dem die Serie (Disney+) basiert, bemerkenswert. Er steht auch in einer aktuellen Tradition der Literatur und Popkultur, die selbstbewusst mit spezifisch afroamerikanischen Topoi spielt. Wer etwa den Horrorfilm „Get Out“ (dessen Einfluss „The Other Black Girl“ nicht verleugnen kann) gesehen hat, wird wahrscheinlich nicht sofort verstanden haben, warum es wichtig ist, dass sich die Hauptfigur Baumwoll-Fitzelchen in die Ohren steckt. Das schützt vor der Hypnose von Körperdieben. In der afroamerikanischen Geschichte steht Baumwolle für Versklavung – und hier wird die Metapher umgedreht, weil die Baumwolle zur Befreiung führt.

Zöpfe halfen bei der Flucht

Simple Bilder, die aber eine eigene Geschichte erzählen, überraschend und ohne erhobenen Zeigefinger. Ähnlich ist es in Harris’ Roman, der die sehr spezielle Beziehung schwarzer Frauen zu ihrem Haar reflektiert. Die hat keineswegs nur mit Schönheitsvorstellungen und Beauty-Industrie zu tun. Auch Afrohaar trägt in jeder Locke die Historie der Ungleichbehandlung in sich. 1786 verbot etwa ein Gesetz in Louisiana schwarzen Frauen, dass sie ihr Haar in der Öffentlichkeit zeigten, sie mussten es mit einem Tuch bedecken.

Noch heute kommt es zu Diskriminierungen, wenn etwa Studenten von Aktivitäten aufgrund ihrer Haartracht ausgeschlossen werden. Bedenkt man das, hat es eine gewisse Logik, dass sich Debatten um kulturelle Aneignung an auf den ersten Blick banalen Dingen wie Frisuren entzünden. Cornrows etwa, das sind auf der Kopfhaut anliegend geflochtene Zöpfe, dienten in der Zeit der Sklaverei auch als am Körper getragene Landkarten für die Flucht aus der Gefangenschaft. 

Haare glätten für den Mainstream

Zakiya Dalila Harris hat in einem Interview erzählt, dass ihre eigene Identitätssuche mit einem Frisurwechsel einhergegangen ist. Wie viele schwarze Frauen hat sie ihre krausen Haare lange mit sogenannten Relaxern, die das Haar glatter machen, bearbeitet, um sich optisch der Mehrheitsgesellschaft anzugleichen. Mit 20 Jahren hat Harris sich den Kopf abrasieren lassen und trägt das Haar seither natürlich. „Ich weiß nicht, ob es ein weißes Äquivalent zu dieser Erfahrung gibt. Aber in der Black Community versteht jeder, dass unsere Haare Stigmas mit sich tragen. Wir können sie selbst nur schwer ablegen. Es gibt immer noch diese unterschwellige Auffassung, dass manche Frisuren ,professioneller’ wirken als andere. Hunderte Jahre Kolonialismus machen sich da eben bemerkbar.“ 

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