Gastkommentar

Populismus – schlecht für den Standort Österreich

Peter Kufner
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Mit Populismus lassen sich kurzfristig Stimmen gewinnen. Doch das hat seinen Preis, besonders im globalen Wettbewerb. 

Im Herzen Europas gelegen, hat Österreich im Laufe der Geschichte oft und lang von seiner zentralen Position und Offenheit profitiert. Kaum ein Land hat derart hohe Einkommenszuwächse vom europäischen Binnenmarkt und dem eigenen EU-Beitritt erzielt wie Österreich. Doch in jüngerer Zeit hat der Aufstieg des Populismus in der österreichischen Politik Anlass zur Entfremdung gegeben. Nicht nur in der „Brüsseler Blase“. Im ­Vorjahr hat die Entscheidung Österreichs, den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien zu blockieren, viele vor den Kopf gestoßen. An erster Stelle hat es uns gerade in diesen beiden Ländern unpopulär gemacht, in denen Österreichs Unternehmen die zweit- bzw. drittwichtigsten ausländischen Investoren sind – gemessen an den Direktinvestitionen. 

Unsere Wirtschaft bleibt eng mit der EU und insbesondere mit den osteuropäischen Ländern ­verflochten. Aber die Entscheidung schafft ein Bild von Österreich als einem Land, das nicht bereit ist, mit seinen Nachbarn in gutem Ein­vernehmen zu arbeiten. Langfris­tig könnten solche Entscheidungen Investitionen, Handelspartnerschaften und das Wachstum beeinträchtigen, zumal das Veto ja keine Drittländer, sondern EU-Mitglieder betrifft. Unternehmen wie die teilstaatliche OMV sind tief in der Region verwurzelt. Rumänien hat bereits öffentlich in Aussicht gestellt, dass die Exploration eines großen Gasfelds behindert werden könnte. Dabei ist das mittelfristig ein wichtiger Beitrag, um von russischem Gas wegzukommen.

Kurzsichtiges Veto

Doch das ebenso kurzsichtige wie populistische Veto gegen den Schengen-Beitritt macht Österreich auch weniger sicher. Schließlich basieren Sicherheit und Sicherheitspolitik auf Kommunikation, Kooperation und Koordination. Bei europaweit wichtigen sicherheitspolitischen Treffen nicht dabei sein zu können, bedeutet für Österreich als Partner für den Frieden, keine relevanten Informationen erhalten zu können. So wurde zwei österreichischen Vertretern bei der Nato der Zugang zu Treffen wegen einer fehlenden Akkreditierung verwehrt. Rumänien hat sich bis Mitte Oktober Bedenkzeit erbeten und diesen Schritt offiziell nicht mit Österreichs Schengen-Blockade in Verbindung gebracht. Auch hierzulande gibt man sich offiziell bedeckt. Allerdings ist klar, dass dies als Retourkutsche für Österreich zu werten ist. Nicht nur bilateral, sondern auch auf EU-Ebene zeigt man zusehends Unverständnis. Nach dem rumänischen EU-Parlamentarier Nicolae Ștefănută hat auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer letzten Rede zur Lage der Union gefordert, die beiden Länder unverzüglich in den Schengen-Raum aufzunehmen. Falls Österreich bis zum kommenden Dezember bei seinem Njet bleibt, überlegt Rumänien auch rechtliche Schritte einzuleiten. Premierminister Marcel Ciolacu spricht von Schäden im Ausmaß von zwei Prozent des BIPs.

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Symbol für Offenheit Europas

Der Schengen-Raum ist ein Symbol für die Freizügigkeit und Offenheit Europas. Ein Veto gegen einen Beitrittskandidaten aufgrund populistischer Angstmacherei vor Migration beeinträchtigt Österreichs Ruf als weltoffenes und kooperatives Land. Zumal es keine Beweise dafür gibt, dass eine Verfehlung seitens Bulgariens oder Rumäniens besteht. Dieses Veto kann umgekehrt das Vertrauen in Österreich als verlässlichen Partner in EU-Angelegenheiten untergraben. Noch dazu scheint Österreich in Sachen irregulärer Migration mit zweierlei Maß zu messen. Während wichtige Wirtschafts- und Handelspartner wie Rumänien und Bulgarien womöglich langfristig vergrämt werden, bleibt das enge Verhältnis der österreichischen zur nachweislich autokratischen Regierung Ungarns – abgesehen von wenigen Unstimmigkeiten – ungetrübt. Und das, obwohl sich Ungarn aus migrationspolitischer und aus rechtsstaatlicher Sicht einen GAU erlaubt hat.

Ungarns GAU

Letzten Mai wurden 700 rechtskräftig zu Gefängnisstrafen verurteilte Schlepper freigelassen und aufgefordert, das Land binnen 72 Stunden zu verlassen. Während die EU-Kommission das nächste Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet hat, hat die österreichische Regierung Viktor Orbán und Aleksandar Vučić zu einem Migrationsgipfel im Juli eingeladen, der nicht viel gebracht hat – außer die gute Beziehung der drei Herren zu inszenieren.

Populistische Maßnahmen führen bereits zu europäischen ­Spannungen. Die Blockade des Schengen-Beitritts wird Probleme für Unternehmen schaffen, die in Rumänien tätig sind oder von einem erleichterten Waren- und Personenverkehr profitieren würden. Diese Spannungen könnten das Geschäftsklima nachhaltig beeinträchtigen und die wirtschaftliche Vitalität Österreichs schwächen. Wien riskiert seine jahrelang gepflegte Rolle als Brückenbauer für osteuropaweit tätige Unternehmensgruppen aufs Spiel zu setzen. Ganz zu schweigen von den in Österreich dringend gebrauchten ­24-Stunden-Pflegekäften aus diesen Ländern, deren Arbeitswege völlig unnötig erschwert werden. Die Schengen-Mitgliedschaft beider Länder würde einerseits die Schikanen für EU-Bürger abschaffen sowie den Binnenmarkt stärken und andererseits die europaweite Migrationspolitik voranbringen. 

Entscheidend ist, die Befürchtungen der Bürger ernst zu nehmen, aber auch den Wert von Offenheit und Zusammenarbeit zu betonen. Es ist möglich, Migration effektiv zu steuern und gleichzeitig die Vorteile der EU-Mitgliedschaft und des Schengen-Raums zu nutzen. Österreich sollte seine lang gepflegte Rolle als verlässlicher Wirtschaftspartner in Europa wieder aufnehmen. Populismus mag zwar auf den ersten Blick mit scheinbar einfachen Lösungen ansprechend erscheinen.

Fatale Freund-Feind-Bilder

Tatsächlich bringt er niemandem etwas – außer den Populisten mehr Stimmengewinne, bis zum nächsten Politskandal. Durch seine fatalen Freund-Feind-Bilder und kurzsichtigen Ansätze verursacht Populismus vielmehr langfristige negative Kosten. Denn Populismus führt in internationale Isolation und wirtschaftliche Stagnation, wie am Beispiel unseres ungarischen Nachbarlands ersichtlich.

Sich der europäischen Vision zu entziehen und damit auch die Vorteile von Schengen zu blockieren, schadet letzten Endes dem Verursacher selbst am meisten, wie ein neuer Policy Brief des Neos Lab zum Thema zeigt. Für Österreich, ein Land, das so viel von seiner Position in Europa profitiert hat, wäre es ein Fehler, den Sirenengesängen des Populismus, insbesondere des Rechtspopulismus, zu erliegen – zumal der jüngste Wahlerfolg des liberalen Zentrums in Polen auch zeigt, dass die Menschen der Spaltung müde sind.

Es ist Zeit für einen ausgewogenen, durchdachten und zukunftsorientierten Ansatz, der legitime Sorgen ernst nimmt, aber auch das Potenzial Österreichs als innovativen, europäischen und europaweit gut vernetzten Vorreiter ausschöpft.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Autorin

privat

Silvia Nadjivan (*1974) ist Senior Researcherin des Neos Lab. Die promovierte Politologin arbeitet zu den Bereichen Demokratie, Europa, Sicherheit und modernes Österreich. Zuvor forschte, publizierte und lehrte sie u.a. zu Kriegen und Transformationsprozessen in Südosteuropa sowie Migration und Intersektionalität in Europa u. a. an der Universität Wien und am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM). 

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