Jewish Welcome Service

Jüdische Vertriebene: Schatten über einer Spurensuche

Joel Hochberg hat seine Großeltern nie kennengelernt. In Wien versucht er, Eindrücke aus ihrem Leben zu rekonstruieren. 
Joel Hochberg hat seine Großeltern nie kennengelernt. In Wien versucht er, Eindrücke aus ihrem Leben zu rekonstruieren. Jana Madzigon
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Seit 1981 kommen jüdische Vertriebene und Holocaust-Überlebende auf Einladung des Jewish Welcome Service nach Wien. Heuer werden sie erstmalig von einem Sicherheitsdienst begleitet.

Viele scheuen sich davor, jemals wieder österreichischen Boden zu betreten. Zu schlimm sind die Erinnerungen an das nationalsozialistische Regime. Und doch gibt es sie, die jüdischen Vertriebenen oder Betroffenen aus zweiter Generation, die sich versöhnlich zeigen. „Um mit der Vergangenheit abzuschließen“, nennt Joanna Bryk ihren Grund für den Besuch in Wien.

Die 75-Jährige ist, auf Einladung des Jewish Welcome Service, mit ihrem Mann aus London angereist. „Ich war lange Zeit unsicher, ob ich dazu bereit bin“, meint sie sichtlich gerührt. Es ist eine bittersüße Erfahrung. Sie denkt an ihren Vater, der hier aufgewachsen ist. Bis zur Pogromnacht, die für ihn eine Deportation ins Konzentrationslager Dachau bedeutete. 1939 gelang es ihm, nach England zu flüchten. Über diese Zeit schwieg er sein restliches Leben.

„Versuche, für uns beide zu heilen“

Nur ein einziges Mal kehrte er in sein Heimatland, an Orte der Kindheit, zurück. „Ich versuche, für uns beide zu heilen. Hier Informationen zu sammeln und die Aufarbeitung Österreichs anzuerkennen“, sagt sie. Es sei wichtiger denn je, sich an die Gräueltaten und den Terror zu erinnern. Denn die Geschichte wiederhole sich gerade. Die Ereignisse im Nahen Osten würden davon zeugen. Sie legen einen dunklen Schatten über den Besuch in Wien.

„Ich bin sehr traurig. Auch darüber, dass wir nicht fähig sind, aus Fehlern zu lernen“, sagt Joanna mit zittriger Stimme. Ihr Blick richtet sich auf das Mahnmal am Aspangbahnhof.

Unter nationalsozialistischem Regime sind von diesem Platz aus 45.451 jüdische Österreicher und Österreicherinnen deportiert worden. Heute erinnern 30 Meter lange nachgebildete Bahnschienen aus Beton daran. Sie enden in einem dunklen Betonblock, der symbolisch für Tod und Vergessen steht.

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