Interview: Geoinformatik

Augen aus dem All decken Klimasünder auf

Ein Blick auf die Erde aus 400 Kilometer Höhe. Foto aus der ISS Raumstation.
Ein Blick auf die Erde aus 400 Kilometer Höhe. Foto aus der ISS Raumstation.ESA/NASA
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Illegale Rodungen, Schwindel bei Wiederaufforstung oder Wasserverschmutzung: Bilder aus dem All machten es immer schwerer, Dinge zu verheimlichen, sagt Thomas Blaschke von der Uni Salzburg. Er spricht demnächst bei der Konferenz Big Data from Space in Wien.

Die Presse: Die Flut in Libyen, Erdbeben in der Türkei, Waldbrände in Kanada: Was kann die Auswertung von Satellitendaten bei Naturkatastrophen leisten?

Thomas Blaschke: Mit den Aufnahmen aus der Luft kann man sich rasch einen Überblick über die Lage verschaffen. Wir arbeiten seit Langem mit Ärzte ohne Grenzen zusammen und haben ein universitäres Spin-off gegründet. Wir liefern täglich Auswertungen von Satellitendaten. Es geht um Informationen über die Versorgungssituation, die Anzahl von Menschen in einem Camp, Nachschubrouten oder Logistik.

Salzburg hat vor rund 25 Jahren als Pionier mit dem Forschungsbereich Geoinformatik begonnen. Wie hat sich das Fach seither verändert?

Ich habe 1991 für meine Diplomarbeit noch Satellitenbilder auf den Rechner geladen, für die Analyse musste ich auf Großrechner ausweichen. Heute bauen unsere Doktoranden in der Cloud (Datenwolke, Anm.) Software-Architekturen, um Tausende Bilder gleichzeitig auszuwerten. Der Workflow ist ganz anders. Es geht sehr stark darum, die Datenmengen, effizient auswerten zu können.

Wer liefert die Daten?

Derzeit sind ca. 10.000 Satelliten aktiv, und es werden immer mehr. Früher gab es die Nasa oder die Esa, Japan, China, Russland. Seit den 2000er-Jahren ist es ein großer Markt für private Firmen, die Daten kommerziell anbieten.

Was passiert mit all diesen Bildern?

Wir haben immer mehr Werkzeuge, um von oben auf die Welt zu schauen. So werden die Probleme nicht weniger, aber es wird immer schwieriger, etwas zu verheimlichen, weil aus dem All immer jemand mitschauen kann. Konzerne können ihre Umweltauswirkungen nicht so einfach verschleiern. Man sieht, wenn jemand Abwasser in einen Fluss leitet. Militärs können nicht unbeobachtet große Truppen verlegen. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Landwirtschaft: Mit ­Satellitenbildern wird automatisiert überwacht, ob Betriebe das anbauen, wofür sie Subventionen erhalten. Die Welt wird ein Stück transparenter.

Die Konferenz Big Data from Space widmet sich der Frage, wie die Daten aus dem All bei der Lösung globaler Probleme wie Klimawandel helfen können. Was kann Geoinformatik beitragen?

Ein Beitrag ist das Monitoring von Maßnahmen. Wir können heute optische Daten aus dem All analysieren, haben Radardaten, die Messwerte von Gaskonzentrationen im Weltall oder jene von Partikeln in Wolken zur Verfügung. Durch Kombination erhöht sich die Aussagekraft. Wir messen nicht nur den sichtbaren Bereich des Lichts, sondern auch Wärmeentwicklung. Man sieht aus dem Weltall, wie viel Wärme bei einem einzelnen Haus verloren geht, weil sich die Technologie so verbessert hat.

Thomas Blaschke, Fachbereich Geoinformatik an der Uni Salzburg
Thomas Blaschke, Fachbereich Geoinformatik an der Uni SalzburgPrivat

An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?

Wir beschäftigen uns stark mit der Frage, wie die Geoinformatik im Zusammenhang mit der EU-Taxonomie unterstützen kann. Große Unternehmen müssen ab 2024 ihren ­ökologischen Fußabdruck nachweisen. Wir schauen uns an, wie der Flächenverbrauch von Unternehmen mittels Geodaten plausibel belegt werden kann. Kataster hinken ja meist der tatsächlichen Situation hinterher. Für die ESG-Nachweise braucht es aktuelle und valide Daten.

Wo kann künstliche Intelligenz in der Geoinformatik helfen, wo stößt sie an ihre Grenzen?

Alle menschlich gemachten Formen, wie Bauwerke oder Verkehrswege, kann künstliche Intelligenz heute perfekt erkennen. Bei natürlichen Formen – dem Aussehen von Feuchtgebieten oder Mangrovenwäldern – tut sie sich noch schwer. Ich kann einer Software beschreiben, wie ein Haus aussieht. Die Beschreibung der Zustände eines Moorgebiets ist schwieriger.

Wohin geht die weitere Entwicklung?

Die Kommerzialisierung im Weltraum wird weiter steigen. Es werden künftig Zigtausende Satelliten pro Jahr dazukommen. Mit allen Problemen, die der Weltraummüll mit sich bringt. Technisch geht es derzeit stark dahin, die Intelligenz in die Satelliten zu bringen. Die Satelliten schicken nicht mehr alle Bilder ungefiltert, sondern treffen schon eine Vorauswahl der relevanten Daten.

Zur Person

Thomas Blaschke (58) leitet den Fachbereich Geoinformatik an der Uni Salzburg. Er ist einer der Keynote-Speaker bei der Konferenz Big Data from Space vom 6. bis 9. November in Wien.

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