Nationalfeiertag im ORF

Gibt es sonst wirklich nichts zu feiern?

Armin Assinger und Barbara Karlich moderieren am Nationalfeiertag 2023 die Sendung „9 Plätze - 9 Schätze“.
Armin Assinger und Barbara Karlich moderieren am Nationalfeiertag 2023 die Sendung „9 Plätze - 9 Schätze“.APA / ORF/ Roman Zach-Kiesling
  • Drucken

Seit zehn Jahren zeigt der ORF am Nationalfeiertag die Sendung „9 Plätze – 9 Schätze“. Der Rückzug auf die Schönheiten der österreichischen Landschaft ist ein Armutszeugnis für die Programmmacher im ORF.

Gut, Österreich hat keine erfolgreiche Revolution wie Frankreich zu feiern, keinen Sturm auf die Bastille und keine Guillotine für den Monarchen, gilt es doch eher – mit dem Wiener Kongress 1815 und Metternich – als Mutterland der Reaktion. Freundlicher formuliert: als Hort von Stabilität, Sozialpartnerschaft und friedlichem Zusammenleben der Religionen – auch wenn dieses Bild von politischer und sozialer Harmonie längst Risse bekommen hat.

Hinweis:

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Aber heißt das wirklich, dass wir den sogenannten Nationalfeiertag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen seit zehn Jahren alljährlich nur mit Bächen und Seen, Schluchten und Gipfeln, Wäldern und Hainen (heuer erstmals ergänzt um Kirchen und Burgen) feiern müssen? Präsentiert von zwei biederen, angeblich volksnahen Fernsehgesichtern in Lederhosen und Dirndl?

Der Rückzug auf die Schönheiten der österreichischen Landschaft, auf alljährlich konkurrierende „9 Plätze – 9 Schätze“ stellt ein Armutszeugnis für die Programmmacherinnen und -macher im ORF dar. Als gäbe es nicht alljährlich Zeugnisse österreichischer Kultur und genug Berichtenswertes über österreichische Menschen.

Gut, dass es eine Stunde vor Mitternacht noch die halbstündige Sendung „Austria 23 – Die Österreicherinnen und Österreicher des Jahres“ gibt, eine Sendung, in der „Die Presse“ ihre Auswahl präsentiert; aber diese halbe Stunde hat eher Alibi-Charakter und kann die politische Funktion einer Hauptabend-Sendung nicht ersetzen.

Mehr geistiger Aufwand nötig als neun Schätze und neun Plätze

Ein Nationalfeiertag könnte sich sowohl historischen Figuren als auch aktuellen Personen und Institutionen widmen. Was spricht dagegen, für den 26. Oktober ein Porträt von Bertha von Suttner zu produzieren? Seit die Schillingscheine mit ihrem Bild verschwunden sind, ist sie aus der Öffentlichkeit verschwunden. Auch der Widerstandskämpfer Franz Jägerstätter würde es verdienen, an einem Nationalfeiertag vorgestellt und geehrt zu werden.

Und eine Reihe weiterer Persönlichkeiten, Männer und Frauen, aus Geschichte und Gegenwart, wären es wert, vorgestellt zu werden, von Lebensrettern in den Bergen bis zu Menschen mit besonderem sozialen Engagement. Dazu Institutionen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben – von der Caritas bis zu Volkshilfe und Entwicklungszusammenarbeit – und ihre Projekte.

Ein Nationalfeiertag hätte auch die Aufgabe der Bildung von historisch-politischem Bewusstsein. Das muss nicht in Form trockener Wissensvermittlung erfolgen, es kann und müsste auch in witzig-unterhaltsamer Form erfolgen. Revue und Kabarett sind für den 26. Oktober nicht verboten, erfordern allerdings mehr geistigen Aufwand als neun Schätze und neun Plätze.

Trautl Brandstaller (*1939 in Wien) ist langjährige ORF-Journalistin, Dokumentarfilmerin und Autorin.

Reaktionen an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.