Schriftsteller Jürgen Heimlich am Zentralfriedhof. Er hat Wiens Friedhöfen mehrere Sachbücher gewidmet: zwei Zentralfriedhofsführer (2008 und 2019, Tredition) und „Wiener Friedhöfe – eine Entdeckungsreise“ (2016).
Allerseelen

Wiens Friedhöfe zwischen Trauer, „Fun“ und Naturoase

Imkern, Laufen, Fotografieren: Die Bedeutung der Friedhöfe wandelt sich. Sind Gärtnern oder Sport zwischen Gräbern neue, zeitgemäße Ausdrucksformen der Trauer? Oder ist es pietätlos, dort Gemüse zu ziehen und zu turnen? Ein Friedhofsbesuch vor Allerheiligen und Allerseelen.

Gestorben wird immer. Aber das, was danach kommt, ändert sich. „Mit fällt auf, dass sich in den letzten fünf bis zehn Jahren vieles verändert hat“, sagt Autor Jürgen Heimlich. Er ist oft auf dem Zentralfriedhof unterwegs. Er wohnt seit Langem ums Eck, der Friedhof ist sein Naherholungsgebiet, er ist ein Chronist der Wiener Friedhöfe, hat ihnen mehrere Sachbücher gewidmet. „Was auffällt, ist, dass viele Gräber aufgelassen werden, viele sind offenbar nicht mehr bereit, Gräber von Angehörigen zu erhalten. Das nimmt überhand. Steine drohen umzukippen, Gräber verfallen.“

Die Freizeitnutzung werde indes mehr. Menschen fahren Fahrrad, nutzen besonders den Zentralfriedhof als Laufstrecke, kommen als Touristen, fragen nach Prominenz. Gerade Sport hat so zugenommen, dass zwei Laufstrecken ausgeschildert wurden, um Sportler davon abzuhalten, über Grabflächen zu laufen. Im Shop des Museums der Bestattung Wien kann man sich auch gleich für die Freizeit am Friedhof ausstatten: mit Turnsackerl mit Aufdruck „Ich turne bis zur Urne“ und mit Shirts, auf denen „Ich lese, bis ich verwese“ oder „We put the Fun in Funeral“ steht.

Also alles „Fun“ am Friedhof? „Für mich ist der Friedhof ein Ort der Entschleunigung, der Ruhe“, sagt Heimlich. Klar ist aber: Die Trauerkultur wandelt sich. Vieles wird freier, individueller. Der Anteil der klassischen Erdbestattungen wird geringer. Mit kleineren Familien, Lebenswegen, die verzweigter werden, ändern sich die Bedürfnisse: weg vom pflegeintensiven Familiengrab hin zu individuelleren Formen.

Dem versucht man in den Friedhofsverwaltungen entgegenzukommen. „Wir bemühen uns um Vielfalt, darum zu zeigen, was Friedhöfe sein können“, sagt Julia Stering von der Wiener Friedhöfe GmbH. Diese verwaltet 46 Friedhöfe in der Stadt, und auch hier beobachtet man einen Wandel in der Bedeutung, in den Bedürfnissen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.