US-Kongress

Theokratie mit einem Lächeln: Erfolg für die Religiöse Rechte in den USA

Mike Johnson und Kevin McCarthy am 25. Oktober vor der Wahl des Speakers.
Mike Johnson und Kevin McCarthy am 25. Oktober vor der Wahl des Speakers.Alex Brandon/Picturedesk
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Er setzte Abtreibung mit dem Holocaust gleich, fordert die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Sex und ist der Meinung, dass man sich zu einfach scheiden lassen kann. Das alles serviert Mike Johnson, der neue Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, mit einem Lächeln.

Die Scharade der Republikaner im Repräsentantenhaus hat sich gezogen: Nachdem Steve Scalise, Jim Jordan und Tom Emmer daran gescheitert waren, die nötigen 217 Stimmen ihrer eigenen Parteikolleg:innen zu gewinnen, schaffte es der Vierte im Bunde: Ein harmlos dreinschauender Mann mit Hornbrille, wie er einem auch in der lokalen Sparkassenfiliale begegnen könnte. Wer ist Mike Johnson? Und was hat er, das die anderen drei nicht hatten? Er wirkt höflich, er spricht ins Mikrofon, anstatt hineinzuschreien, er gilt als umgänglich und freundlich. Die republikanische Senatorin Susan Collins sagte, als man sie nach Johnson fragte, sie wisse nicht, wer er sei, und müsse ihn erst einmal googeln. 

Wer Mike Johnson nicht googeln musste: alle, die seit Jahren die Entwicklung des weißen christlichen Nationalismus und Extremismus in den USA beobachten. Mike Johnson ist ein radikaler Theokrat und fester Bestandteil einer Bewegung, die seit Jahrzehnten an den demokratischen Grundfesten des Landes sägt. Seit das Speaker-Amt in Johnsons Reichweite gekommen ist, hat er seine Äußerungen zu den kontroversesten Themen zwar gezügelt (nicht zurückgenommen), aber er machte in seiner Antrittsrede als Speaker klar, welche Ideologie ihn antrieb – nur göttliche Fügung hätte ihn hierher geführt, ihn zur Nummer zwei in der Präsidentschafts-Nachfolge gemacht, nach der Vizepräsidentin. Seine politische Spur ist über Jahrzehnte lang zurückzuverfolgen.

Johnson war zwei Jahre lang als Abge­ordneter Teil des Landesparlaments von Louisiana und wurde 2017 und 2019 ohne Gegenkandidat für diesen Bundesstaat ins Repräsentantenhaus gewählt. Davor arbeitete er zehn Jahre lang als Anwalt für die Alliance Defending Freedom (ADF, damals noch Alliance Defense Fund), ein Powerhouse der Religiösen Rechten, die das Southern Poverty Law Centre als „Hate Group“ definiert hat. 

Gegen Trennung von Kirche und Staat

Die ADF tritt für die Entrechtung und Diskriminierung von LGBTQ-Menschen ein und versucht, Abtreibung zu kriminalisieren – sie war die treibende Kraft hinter dem Sturz des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf Abtreibung im vergangenen Sommer. „Ihre Kernaufgabe besteht darin, das amerikanische Recht so umzugestalten, dass es heterosexuelle, konservative, christliche weiße Männer begünstigt und jeder andere ein Bürger zweiter Klasse ist“, ordnet Andrew Seidel, Anwalt und Supreme-Court-Experte, mir gegenüber die Arbeit der ADF ein.

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