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Bitcoin & Blockchain

Das Bitcoin-Whitepaper: Als keiner Satoshi Nakamoto ernst nahm

Als Satoshi Nakamoto vor 15 Jahren Bitcoin vorstellte, waren sogar Gleichgesinnte skeptisch. Hatte er wirklich ein Problem gelöst, an dem sich alle anderen die Zähne ausbissen?

So sehr wir ein solches System (wie Bitcoin) brauchen, es scheint nicht auf die erforderliche Größe skalierbar zu sein“, lautete eine Reaktion, als Satoshi ­Nakamoto am 31. Oktober 2008 das Bitcoin-Whitepaper veröffentlichte. „Das bietet keine Lösung für die politischen Probleme, die es im ­Zusammenhang mit Kryptografie gibt“, war eine andere.

Die Rückmeldungen waren äußerst skeptisch. Dabei hatte der Bitcoin-Erfinder seine Schöpfung nicht irgendwem vorgestellt: Über die „Cryptography Mailing List“ tauschten sich Menschen aus, die sich Cypherpunks nannten – Computerfreaks, die sich seit Jahren oder gar Jahrzehnten mit Verschlüsselung und digitalem Geld beschäftigt hatten. Sie kämpften für Privatsphäre im Internet und gegen digitale Überwachung. Und sie suchten nach einer Lösung, wie man digitale Zahlungen tätigen kann, ohne auf Zentralinstanzen wie Banken angewiesen zu sein. Angesichts der Finanzkrise, die im September 2008 eskaliert war und das Vertrauen in Banken massiv angekratzt hatte, erschien das besonders erstrebenswert.

Alles zwei Mal ausgeben?

Doch gab es ein Problem: Im Internet kann man alles kopieren. Man kann ein und denselben Text an Hunderte Menschen gleichzeitig schicken. Bei Texten ist das gut, bei Geld nicht. Wenn ich jemandem digitales Geld überweise, wer garantiert dem Empfänger, dass ich dasselbe Geld nicht auch noch an jemand anderen überweise, es also doppelt ausgebe? Um das zu verhindern, braucht man eine Zentralinstanz, eine Bank, die sorgfältig Buch führt. Digitale Zahlungen von einer Person zur anderen durchzuführen, ohne auf eine Bank angewiesen zu sein, schien unmöglich. Und nun behauptete irgendein ­Satoshi Nakamoto, den keiner kannte, er habe dieses „Double-Spending-Problem“ gelöst.

Er schlug vor, statt einer Zentralinstanz ein Netzwerk aus vielen Teilnehmern zu nutzen. Alle Transaktionen werden allen Teilnehmern (Nodes) kundgetan, alle wissen also, welche Transaktionen gültig sind. Zugleich versucht jeder Teilnehmer, ein Rechenproblem zu lösen, für das man Arbeit (Energie) aufwenden muss. Wer diese Aufgabe als Erster löst, fasst die Transaktionen in einem Block zusammen, hängt diesen mit einem Zeitstempel versehen an die Kette mit den bisherigen Blöcken an und schreibt sich Bitcoin als Belohnung gut. Wer den nächsten Block findet, hängt ihn an den letzten an.

Sollten mehrere Ketten auftauchen, gilt die längste: Sie ist diejenige, für die die meiste Energie aufgewendet wurde. Ein Betrüger, der Transaktionen manipulieren will, müsste zuerst die alten Blöcke fälschen und dann so schnell Rechenaufgaben lösen und neue Blöcke anhängen, dass er die Kette der anderen Teilnehmer einholt. Was nur möglich wäre, wenn er über ungleich mehr Rechenkapazität verfügte als alle anderen zusammen.

Skeptische Cypherpunks

Heute zitieren Bitcoin-Fans voll Ehrfurcht aus dem Whitepaper. Die Begeisterung der Cypherpunks im Jahr 2008 hielt sich in Grenzen. Zu oft hatten sie sich mit Spinnern herumschlagen müssen, die das Double-Spending-Problem gelöst haben wollten. Sie sahen viele Haken: Wenn Hunderte Millionen Menschen Bitcoin nutzen wollen und um die Wette rechnen, würde das nicht einen enormen Rechenaufwand bedeuten, meinte einer? Nein, erwiderte Satoshi, nicht jeder müsse das tun, sondern nur die, die neue Bitcoin generieren wollen. Tatsächlich gibt es heute Miner, die Bitcoin schürfen, Nodes, die alles nur überwachen, und zahlreiche Nutzer, die ihre Zahlungen über die Nodes anderer Leute laufen lassen.

Das Skalierungsproblem sollte Bitcoin trotzdem jahrelang beschäftigen. Inzwischen hat man erkannt, dass eine Blockchain nicht gleichzeitig in vollem Maß dezentral, sicher und skalierbar sein kann. Und Bitcoin verzichtet eben auf die Skalierbarkeit: Kleine Transaktionen auf der Blockchain abzuwickeln ist langwierig und teuer, dafür erfand man Seitenarme der Blockchain („Second Layer“). Doch ist Bitcoin so dezentral und sicher wie keines der zahlreichen anderen Kryptoprojekte, die später erfunden wurden.

Nicht wie Napster

Einem Kritiker, der einwandte, dass Bitcoin wohl politisch angegriffen würde, entgegnete Satoshi, dass Regierungen sich leicht dabei täten, ein zentrales Projekt wie die Musiktauschbörse Napster abzustellen, bei dezentralen Projekten wäre das aber schwierig. Ein weiterer Skeptiker meinte, dass jemand eine große Zombiefarm mit viel Rechenpower einrichten und die anderen Teilnehmer damit überstimmen könnte. Satoshi schrieb, dass das schwierig sei, wenn es genügend kleine und mittlere Teilnehmer gebe. Tatsächlich hätte das in den Anfangszeiten von Bitcoin ein Problem darstellen können. Doch interessierten sich damals nicht allzu viele Menschen für die junge Kryptowährung. Inzwischen ist das Bitcoin-Netzwerk so stark, dass es technisch unmöglich ist, mit einer Miningfarm alle anderen Teilnehmer zu überstimmen, denn niemand kann so viel Hardware an einem Ort konzentrieren und so viel Energie aufwenden.

Am 9. November 2008 erhielt Satoshi ein sehr langes Mail von Hal Finney. Der Softwareentwickler, der zusammen mit Phil Zimmermann die Verschlüsselungstechnologie PGP (Pretty Good Privacy) entwickelt hatte, fragte nach mehr Details und half Satoshi, seine Software zu verbessern. Am 3. Jänner 2009 erstellte der Bitcoin-Erfinder schließlich den ersten Block, den „Genesis-Block“. Ein paar Tage lang war Satoshi Nakamoto der einzige Netzwerkteilnehmer. Am 11. Jänner trat Hal Finney bei, lud sich die Bitcoin-Software herunter und teilte der Welt in einem legendären Tweet mit: „Running Bitcoin.“

Erfinder zogen sich zurück

Hal Finney hörte nach einiger Zeit wieder mit dem Bitcoin-Schürfen auf, weil sein Computer so heiß gelaufen war und ihn das Geräusch des Lüfters nervte. Inzwischen gab es schon viele Teilnehmer. Als Finney ein Jahr später erfuhr, dass Bitcoin inzwischen einen Geldwert hatte, sicherte er seine Münzen auf einer Off­line-Wallet (digitalen Geldbörse). 2014 starb er, und die Bitcoin-Community begeht heute noch den 11. Jänner als Running Bitcoin Day, unter anderem mit Laufevents.

Satoshi Nakamoto verlor irgendwann die Lust, sich mit jedem Kritiker auseinanderzusetzen. Legendär ist sein Zitat: „Wenn du es nicht glaubst oder nicht verstehst, habe ich keine Zeit, dich zu überzeugen, sorry.“ 2011 teilte er mit, dass er sich anderen Dingen zuwende, verschwand von der Bildfläche und rührte die Million Bitcoin, die er geschürft hatte, nie an.

Bitcoin hat überlebt, die Zahl der Miner und Nodes geht in die Zehntausende. Hunderte Millionen Menschen haben Bitcoin bereits genutzt. Die Blockchain wurde nie gehackt, keine Miningfarm war je groß genug, um andere auszuhebeln. Regierungen haben erkannt, dass sich Bitcoin nicht verbieten lässt. Und Bitcoin-Fans begehen am 31. Oktober, wenn andere Halloween oder Reformationstag feiern, den Whitepaper-Day.

Auf einen Blick

Am 31. Oktober 2008 hat Satoshi Nakamoto das Bitcoin-Whitepaper veröffentlicht. Es umfasst nur neun Seiten und ist auch auf deutsch verfügbar. Damals schlug dem Bitcoin-Erfinder große Skepsis entgegen, inzwischen feiern Bitcoin-Fans am 31. Oktober den Whitepaper-Tag. Gestartet wurde Bitcoin zwei Monate später, am 3. Jänner 2009.

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