Die Buchmalerei aus dem 15. Jahrhundert zeigt eine Seilerei, in der Fangnetze hergestellt werden. 
Geschichte

Eine kleine Geschichte des Knotens

Einen Knoten zu knüpfen war die archaische Methode, Dinge miteinander zu verbinden. Aus Fasern, Garn wurden Seile, Netze, Gewebe. Dass sie funktionierten, war existenziell für unsere Vorfahren in prähistorischer Zeit. Fingerfertigkeit ermöglichte das Überleben.

Kennen Sie den tiefen Frust, wenn ein Freund, eine Freundin im Kindergarten damit prahlte, sich selbst schon die Schuhe binden zu können, man selber aber nicht? Sie sehen: Der Verfasser dieses Textes ist in der Vor-Klettverschluss-Zeit aufgewachsen und kann sich noch an den Ärger der Kindergartentante erinnern, als sie die Lust am endlosen Binden der Schleifen verlor. In der Volksschule war dann der Zug endgültig abgefahren: Wer diese motorische Fähigkeit noch immer nicht besaß, war ein Loser.

Geht man heute durch ein Kinderschuhgeschäft, sieht man kaum noch Schnürriemen. Mit einem Mobiltelefon umzugehen, ist wichtiger für die Heranwachsenden. Hat das Schnüren eines Knotens als Kriterium für Zurechnungsfähigkeit und Reifegrad also ausgedient? Wenn im Alter die Demenz kommt, sehen wir uns mit derselben Hilflosigkeit konfrontiert wie als Kinder.  

Inspiziert man seinen Haushalt, stößt man auf Dinge, die hier schon in prähistorischer Zeit genauso zu finden waren wie heute, als unentbehrliche Werkzeuge. Dazu gehört alles, was in irgendeiner Weise verknotet werden kann. In all die Schnüre, Stricke, Kordeln und Fäden lassen sich Knoten machen, wir in Österreich nennen das meistens Knopf. Eine neuere Erscheinung ist die Unmenge von Kabeln, die wir für unsere mehr oder minder notwendigen elektronischen Spielzeuge brauchen. Sie haben die Eigenschaft, sich ganz gern selbst zu verknoten. Das schafft jedes Mal Ärger.

Jedenfalls ist das ein Hinweis darauf, dass dieses Phänomen auch unabhängig von uns existiert. Offenbar haben wir uns da etwas von der Natur abgeschaut, von sich weit in die Höhe schlingenden Pflanzen, den Netzen der Spinnen bis hin zu den Nestern der Vögel und Menschenaffen. Wie es unsere Art ist, haben wir das enorm weiterentwickelt, um etwas zu befestigen, aufzuhängen, zu bündeln, zu spannen. Angeblich soll es 3000 verschiedene Knotenformen geben.

Seil und Knoten als Überlebenstechnik

„Das Funktionieren von Knoten hatte für unsere Vorfahren existenzielle Bedeutung“, schreibt Michael S. Karg in seiner soeben erschienenen Kulturgeschichte des Knotens und schlägt ein paar Gedankenexperimente vor. Seil und Knoten können für das nackte Überleben wichtig sein, um sich an einem Baum hochzuziehen oder sich an einer steilen Wand abzuseilen. Mit ihnen lassen sich also Naturmächte austricksen, öffnet sich der Weg ins Unbekannte, über Seen, auf Gipfel, in Höhlen, im Labyrinth. Der Umgang damit war, so Karg, gleichsam „das anthropologische Starterkit für Kulturen“ und tauchte daher schon vor mehr als 40.000 Jahren in allen Teilen der Welt auf. Freilich: Im Unterschied zu Steinwerkzeugen sind die Stricke verrottet, also für die Forschung „extremely unsexy“ und in archäologischen Büchern nicht präsent. In Israel wurde der bisher älteste geflochtene Korb entdeckt: Er ist 10.500 Jahre alt.

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