Mein Dienstag

Nimm alles

Adèle Exarchopoulos und Franz Rokowski in dem Film „Passages“.
Adèle Exarchopoulos und Franz Rokowski in dem Film „Passages“.Stadtkino Filmverlieh
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Wer glaubt, alles haben zu können, bleibt am Ende häufig mit nichts zurück. Der neueste Film zu dieser – nicht ganz so neuen – Weisheit kommt aus Frankreich und heißt „Passages“. 

Es gibt da diese Szene in Regisseur Ira Sachs’ Film „Passages“ (2023). Tomas (Franz Rogowski) gesteht seinem Ehemann, Martin (Ben Whishaw), in der Nacht zuvor mit einer Frau geschlafen zu haben. Martin reagiert zwar nicht gleichgültig, aber doch eher gelassen. Und geht zum Sport. Mit dieser Reaktion hatte Tomas nicht gerechnet. Wohl auch aus diesem Grund beginnt er eine Affäre mit besagter Frau, der frisch getrennten Agathe (Adèle Exarchopoulos). In weiterer Folge verlässt er Martin und zieht bei ihr ein.

Als er Martin eines Tages einen unangekündigten Besuch abstattet, um ihm zu sagen, dass Agathe schwanger ist, findet er einen nackten Mann vor – Martins neuen Freund. Wortlos verlässt er die Wohnung und sabotiert in den Wochen danach die Beziehung zwischen den beiden. Es gelingt ihm sogar, Martin zu verführen und ihn davon zu überzeugen, ihrer Ehe noch eine Chance zu geben. Da gibt es aber auch noch Agathe, die er nicht loslassen will.

Jeder von uns kennt solche Leute. Leute, die nie gelernt haben, was Verzicht bedeutet. Die nicht akzeptieren wollen, dass sie nicht alles haben können. Sie wollen eine Beziehung führen oder heiraten, aber nicht monogam leben. Sie wollen Kinder kriegen, aber nicht Eltern sein. Sie sind krankhaft eifersüchtig, pochen aber auf ihre Freiheiten. Sie wollen verehrt werden, aber nicht verehren. In vielen Fällen bekommen sie nichts von all dem und enden ganz allein.

Mein Mitleid hält sich in Grenzen, haben sie sich doch selbst in diese Situation manövriert. Das Problem ist aber, dass sie auf ihrem Weg so manches gebrochene Herz zurücklassen. Bei Menschen, die nicht so sind wie sie. Die glauben, was sie hören. Die nicht mit Argwohn durchs Leben gehen, sondern mit Vertrauen und Zuversicht. Die über persönliche Schwächen hinwegsehen und ihre Aufmerksamkeit auf Stärken richten. Die die kleinen Macken ihres Gegenübers lieben und diese nie gegen sie verwenden würden. Die wissen, dass sie nicht alles bekommen können, und deswegen das schätzen, was sie schon haben. Menschen also, die irgendwann erwachsen geworden sind.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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