Österreichischer Buchpreis

Clemens J. Setz‘ „Monde vor der Landung“: Das kann uns der tragische Schwurbler lehren

Der österreichische Buchpreis wurde am Montag Abend verliehen. Fünf Romane standen auf der Shortlist.
Der österreichische Buchpreis wurde am Montag Abend verliehen. Fünf Romane standen auf der Shortlist. (c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Die Hohlwelttheorie, die besagt, dass wir auf der Innenseite einer Kugel leben? Gab es wirklich. Der mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnete Roman „Monde vor der Landung“ erzählt von einem ihrer Verfechter.

Peter Bender heißt er, und es gab ihn wirklich. Das ist nicht ungewöhnlich, Clemens J. Setz, 1975 in Graz geboren, recherchiert gerne und setzt das Recherchierte dann literarisch um, freilich immer auf seine verstiegene, verspielte Weise, hinter der sich dann doch immer eine tiefe Ernsthaftigkeit verbirgt, so auch hier: Es wäre ja leicht, sich lustig zu machen über diesen Sonderling, der sein ganzes Leben lang die Erkenntnis jenseits des Mainstream sucht, egal, was die Wissenschaft sagt, egal, was auch die eigene Erfahrung: Er hat seine eigene Wirtschaftstheorie, seine eigene Kosmologie, seine eigene These, wie Mann und Frau zusammenleben sollen, nämlich als Viereck, zwei Männer, zwei Frauen. Das predigt er allen, die zu seinen kleinen Versammlungen kommen. Nur er lebt es anders. Warum? Nun ja. Man versteht.

Was ist ein Rektilineator?

Man versteht tatsächlich so einiges im Laufe dieses Buches, das in der Zwischenkriegszeit spielt: Die Faszination, in selbstgebastelten Theorien abzutauchen, die Lust am Entwerfen von Gegenwelten, wie verführerisch es ist, sich den Kosmos anders zu denken: Was wäre denn wirklich, lebten wir alle auf der Innenseite der Erdkugel? Wie klein wäre dann die Sonne? Wie viel kleiner der Mond? Wie ist das genau mit den Schatten? Und dann hat Bender ja auch noch Verbündete! Da gibt es einen Dr. Teed, der beweisen wollte, dass er durch „polaren Einfluss“ Materie in Energie umwandeln kann, und der bei einem Experiment in einen Stromkreis geriet und in der Folge glaubte, dass das Universum eine Zelle sei, ein Hohlglobus. Da gibt es einen Dr. Morrow, der mithilfe eines „Rektilineators“ nachweisen wollte, dass die Erde sich konkav nach oben krümmt. Und einen John Cleves Symmes jr., der am Beginn einer Expedition plötzlich starb. Er hatte die Ringe im Inneren der Erde erforschen wollen, Ringe wie die des Saturn.

Schwurbler und der Antisemitismus

Gemeinsam an etwas zu glauben, das vermittelt ein Gefühl der Heimat. Aber wie lange? In einer beklemmenden Szene trifft sich Peter Bender bei einer Tagung mit Gleichgesinnten, um feststellen zu müssen, dass sich die Hohlwelttheorie und Antisemitismus nur allzu gut vertragen: Am Ende sind für die Schwurbler dann doch immer die Juden schuld, in dem Fall, weil sie den Durchbruch der reinen Wahrheit verhindern.

Peter Benders Frau ist Jüdin. Und so heiter und wunderlich der erste Teil dieses Buches ist, so beklemmend ist der zweite: Denn Bender ist so versessen darauf, geheime Zeichen zu suchen, dass er die offensichtlichen rundherum glatt übersieht. Geringschätzung interpretiert er als Hochachtung, dass man ihn meidet, als Höflichkeit. Das Ende ist bitter, es hätte nicht bitter sein müssen, und es ist auch eine Warnung: Hin und wieder ist es notwendig, die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Lebensnotwendig.

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