Musterprozess

Defekte Verhütungsspirale: Geschädigte Frau klagt den Bund

Ein Verhütungsspirale, die im Körper zerbrach, war Prozessthema.
Ein Verhütungsspirale, die im Körper zerbrach, war Prozessthema.L. Chernetska, gettyimages
  • Drucken

Eine Frau, der eine mangelhafte Verhütungsspirale eingesetzt wurde, klagt nun den Bund auf Schadenersatz.

Im Wiener Justizpalast herrschte am Mittwoch außergewöhnlich starker Andrang. Dutzende Prozessbeobachter waren gekommen, um bei einem im Zivillandesgericht laufenden Schmerzengeld-Prozess dabei zu sein. Eine Frau hatte sich 2016 eine Verhütungsspirale einsetzen lassen, diese ging im Körper zu Bruch. Nun klagt die Frau den Bund.

Die Forderung der Klägerin, die übrigens Gynäkologin ist: 5000 Euro Schmerzengeld. Außerdem möchte sie eine zivilgerichtliche Feststellung erwirken, wonach die beklagte Partei, also die Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, auch für weitere mögliche Schäden haftet. Dieses Feststellungsbegehren bewertet die Frau, vertreten von Anwalt Alexander Klauser, mit tausend Euro.

Unter der Leitung von Zivilrichter Stefan Riegler umriss Klauser zunächst den Standpunkt der Klägerin. Ihr war eine Spirale der spanischen Herstellerfirma Eurogine eingesetzt worden. Wie der – die Klage unterstützende – Verbraucherschutzverein VSV, vertreten durch Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber, im Vorfeld bekannt gegeben hatte, sind zwischen 2014 und 2017 gezählte 28.502 zur Schwangerschaftsverhütung gedachten Spiralen dieses Herstellers in Österreich verkauft worden. Bei einer bestimmten Charge dieser Medizinprodukte wurden Brüche festgestellt. Eurogine hätte laut Klägerin spätestens Anfang 2018 eine Warnung an Fachärzte herausgeben müssen.

Meldung an Österreich

Tatsächlich, so heißt es in der Musterklage, habe Eurogine erst im Frühjahr 2018 die spanische Gesundheitsbehörde informiert. Diese habe die Meldung nach Österreich weitergeleitet. Im Oktober 2019 habe die Firma dann konkret auf die Möglichkeit hingewiesen, dass das Produkt innerhalb des Körpers brechen könnte. Ab diesem Zeitpunkt, so die Klägerin, hätte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG), eine zum Gesundheitsministerium gehörende Behörde, aktiv werden müssen.

Doch erst im September 2020 habe das BASG – und auch nur, weil es bereits eine Medienanfrage gegeben habe – eine Sicherheitsinformation online gestellt. „An unauffälliger Stelle und kaum auffindbar“, heißt es in der Amtshaftungsklage. Das Amt selbst hatte per Homepage wissen lassen, dass 2019 und 2020 Informationen an Gynäkologen ergangen seien. Der Rechtsvertreter der Finanzprokuratur, Martin Tatscher, wies die Ansprüche erwartungsgemäß zurück. Und ermahnte den Anwalt der klagenden Medizinerin, den Sachverhalt nicht „zizerlweise“ auszudehnen. Dies wiederum wies der Angesprochene prompt zurück.

Seitenarm abgebrochen

Jedenfalls hatte die Frau im Juli 2021 erfahren, dass die ihr eingesetzte Verhütungsspirale zu der fehlerhaften Charge zählen dürfte. Daraufhin wurde versucht das Produkt zu entfernen, was aber nicht gelang, da der Rückholfaden nicht greifbar war. Schließlich musste die Spirale unter Vollnarkose operativ entfernt werden. Ein Seitenarm war abgebrochen. Dieser ist bis heute nicht aufgetaucht. Er könnte sich nach wie vor im Körper der Frau befinden.

Wegen dieser Unsicherheit macht die Frau eine seelisch-psychische Beeinträchtigung geltend. Daher und auch aufgrund der nach der Operation entstandenen monatelangen Schmerzen wurde nun eben der Schmerzengeldanspruch bei Gericht deponiert. Am Rande des Prozesses erklärte die Klägerin: „Ich möchte, dass auch andere betroffene Frauen zu ihrem Recht kommen.“

Such nach Charge

Der Richter versuchte zunächst zu klären, ob die gegenständliche Spirale tatsächlich aus der schadhaften Charge stammte. Mit Sicherheit ließ sich das vorerst nicht feststellen (der Verbleib der entfernten Spirale ist ungeklärt).

Auch bezirksgerichtliche Klagen gegen die Herstellerfirma hat es bereits gegeben. Die erstrittenen Summen waren aber gering. Mitunter geringer als die Verfahrenskosten.


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.