Geschworenenprozess

Zweifachmord: „Es hätte jeden von uns treffen können“

Der Angeklagte und seine Anwältin Astrid Wagner.
Der Angeklagte und seine Anwältin Astrid Wagner.APA/Max Slovencik
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Jener Mann, der zu Jahresbeginn in Wien zwei ihm unbekannte Opfer auf grausame Weise tötete, stand nun vor den Geschworenen. Stehsatz des Angeklagten: „Ich weiß gar nichts.“ Der Gerichtspsychiater empfahl eine Anstaltseinweisung.

Der 51-Jährige gilt als hochgefährlich. Drei schwer bewaffnete Justizwachebeamte stehen im Gerichtssaal um ihn herum, während der Richter mit ihm redet. Zu seinen Taten kann oder will der Angeklagte nichts sagen. Viele Male wiederholt er monoton den Satz: „Ich weiß gar nichts.“

Die Anklage wirft Wojciech M. zweifachen Mord vor. Die beiden Verbrechen, begangen in Wien-Donaustadt und Wien-Floridsdorf, haben Anfang des Jahres für Entsetzen gesorgt. M. hat laut Anklage in der Silvesternacht den 74-jährigen Apotheker B. bestialisch ermordet. Zuvor war M. in dessen Haus eingedrungen.

Eine Woche später stieg er in das Haus einer Familie ein. Er fiel dort über eine zweifache Mutter her und tötete diese. Der Mann der 31-jährigen Frau war gerade auf Skiurlaub. Die beiden Töchter, vier und fünf Jahre alt, saßen in der Badewanne, als das Verbrechen verübt wurde. Bis der Vater am nächsten Tag vom Skifahren zurückkehrte, verbrachten die Kinder neben der übel zugerichteten Leiche der Mutter.

„Hatte einen Alptraum“

„Ich weiß gar nichts.“ Mehr bekamen die Geschworenen an diesem Montagvormittag im Straflandesgericht Wien zum Hergang der Taten nicht zu hören. Nur das noch: „Ich hatte lange Zeit einen Alptraum.“

Näheres war auch auf mehrmaliges Nachfragen von Richter Wolfgang Etl nicht zu erfahren. Ursprünglich hatte M. geleugnet, überhaupt an den Tatorten gewesen zu sein; obwohl die Videoanlage am Haus des Apothekers – dieser war früher Präsident der österreichischen Apothekerkammer – das Eindringen des Mannes festgehalten hatte; obwohl jede Menge DNA-Spuren gesichert worden waren. M. bestritt zunächst auch seine eigene Identität.

In der Verhandlung vermittelte der regungslos in einem schwarzen Mantel dasitzende, vor sich hin starrende Angeklagte (Verteidigerin: Astrid Wagner) zumindest einige wenige Eindrücke seiner tristen Kindheit. Als eines von fünf Geschwistern in Polen geboren, verbrachte er einen Teil seiner Kindheit in einem Kinderheim. Sein Vater war Alkoholiker. Er starb, als der Bub zwölf Jahre alt war. Seine Mutter war mit den fünf Kindern überfordert. Mit 13 Jahren habe er begonnen, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Zuletzt habe er täglich um die sechs Flaschen Bier und zirka alle drei Tage eine halbe Flasche Wodka getrunken. Gearbeitet habe er als Hilfsarbeiter auf Baustellen.

Nordic-Walking-Stöcke als Folterinstrument

Die Taten selbst wurden von der Staatsanwältin als maximal brutal und abscheulich beschrieben. Der Apotheker war an den Beinen gefesselt worden. Und unter anderem mit Nordic-Walking-Stöcken zu Tode traktiert worden. Der Frau wurden unter anderem mit einer Flasche tödliche Kopfverletzungen zugefügt. Laut Gutachten des Psychiaters Peter Hofmann leidet M. unter einer schweren Störung. Er habe sadistisch und hochaggressiv, aber gezielt gehandelt und sei dabei zurechnungsfähig gewesen. Daher beantragte die Staatsanwältin nicht nur eine Bestrafung, sondern auch eine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.

Da es sich um Zufallsopfer gehandelt hatte, sagte die Anklägerin zu den Geschworenen: „Es hätte jeden von uns treffen können.“ Und: „Sie können nach dem Ende der Verhandlung nach Hause gehen und ihr Leben weiterleben.“ Die beiden Ermordeten könnten dies nicht mehr. Damit sich die Geschworenen ein besseres Bild von den Tatorten machen können, war im Vorfeld dafür gesorgt worden, dass Virtual-Reality-Brillen zur Verfügung stehen. Damit lässt sich das 3D-Video eines Drohnen-Überflugs der Tatorte anschauen.

Ein Zelt auf der Donauinsel

M. war zuletzt obdachlos gewesen. Im Sommer nächtigte er in einem Zelt auf der Donauinsel. Im Winter war er offenbar auf der Suche nach Häusern, die sich leicht aufbrechen ließen. So stieß er eben zufällig auf seine Opfer. In deren Häusern hielt er sich stundenlang auf, suchte nach alkoholischen Getränken und trank diese. Eine Marotte von ihm mutet unheimlich an: Aus dem Haus des Apothekers stahl er Schuhe, zog diese an und ließ seine eigenen zurück. Mit den gestohlenen Schuhen suchte er acht Tage später das Haus der zweifachen Mutter auf, hinterließ dort die Schuhe des Apothekers und nahm Schuhe des Mannes der Frau an sich.

Festgenommen wurde er, nachdem er erneut zum Haus der Frau gekommen war, um über ein Kellerfenster einzudringen. Der Mann hatte dabei 2,9 Promille Alkohol im Blut.

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