Urteil

Lebenslange Haft und Einweisung nach Doppelmord von Wien

Der Angeklagte und seine Anwältin Astrid Wagner.
Der Angeklagte und seine Anwältin Astrid Wagner.APA / APA / Max Slovencik
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Der Angeklagte soll zu Jahresbeginn einen Apotheker und eine junge Mutter brutal getötet haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 51-Jährige meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung an.

Ein 51-Jähriger ist am Montag wegen zweifachen Mordes am Wiener Straflandesgericht zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Zusätzlich wurde der Mann in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen. Der Angeklagte soll zu Jahresbeginn einen Apotheker und eine junge Mutter brutal getötet haben. Der unterstandslose Pole galt laut einem psychiatrischen Gutachten als zurechnungsfähig, ist aber infolge einer schweren Persönlichkeitsstörung hochgefährlich.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 51-Jährige meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung an. Mildernd wurde seine schwere Persönlichkeitsstörung gewertet, aber erschwerend waren die beiden brutalen Verbrechen, seine heimtückischen und für die Opfer qualvolle Taten, der Einsatz von Waffen und seine Vorstrafen.

Dem 51-Jährigen wird angelastet, in der Nacht auf den 1. Jänner 2023 in der Donaustadt den 74-jährigen Apotheker erschlagen und in der Nacht auf den 8. Jänner die 31-jährige zweifache Mutter in Floridsdorf erschlagen und auch erstochen zu haben. Die Frau starb wie der Pharmazeut an multiplen Verletzungen.

„Ich weiß nichts“

Der Angeklagte - selbst zweifacher Vater - behauptete zunächst, er habe mit den beiden Fällen nichts zu tun. Er sei gar nicht der Mann, den die Staatsanwaltschaft angeklagt habe, sondern heiße ganz anders. Auf die Frage des vorsitzenden Richters des Schwurgerichts, Wolfgang Etl, ob er sich schuldig oder nicht schuldig bekennen würde, meinte der Mann mit leiser Stimme: „Ich weiß nichts.“ Diese Antwort gab der 51-Jährige dann immer wieder auf die Fragen des Gerichts. Er könne sich an die Bluttaten nicht erinnern.

Laut seiner Anwältin Astrid Wagner könne sich ihr Mandant gar nicht vorstellen, die brutalen Tötungsdelikte begangen zu haben. Er sei „ein friedliebender Mensch“, sagte die Verteidigerin vor Prozessbeginn zu Journalisten. Der Mann, der bereits in Deutschland mehrfach vor Gericht gestanden ist und im Vorfeld seine Lebensgefährtin geschlagen haben soll, wurde auch durch an den Tatorten sichergestellte DNA-Spuren sowie Blut der Opfer auf seiner Kleidung und auch durch Bilder aus den Überwachungskameras schwer belastet. Die beiden Getöteten dürften aus reinem Zufall Opfer des mutmaßlichen Gewaltverbrechers geworden sein.

Gutachter: Angeklagter zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig

Auf Basis der Feststellungen des psychiatrischen Sachverständigen hat die Anklagebehörde deshalb zusätzlich zu einer Haftstrafe die Unterbringung gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) des 51-Jährigen in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Gerichtspsychiater Peter Hofmann attestierte dem Mann eine schwere Persönlichkeitsstörung und schweren Alkoholismus. Der 51-Jährige trinkt seit seinem 13. Lebensjahr, seit seinem 16. Lebensjahr täglich. Daher hätte er bereits nachhaltige Schädigungen erlitten. Auch wenn er an Tatorten „ein bizarres Verhalten“ an den Tag gelegt habe, seien seine Vorgehensweisen „geordnet, logisch und gezielt“ gewesen. Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war. Allerdings sei der Mann so gefährlich, dass es in Zukunft erneut zu derart gerichteten Gewalttaten kommen kann.

Nach Angaben seiner Verteidigerin werde der Mann derzeit in Haft aufgrund seiner Erkrankung medikamentös behandelt. Für Anwältin Wagner wäre auch die Unterbringung aufgrund seiner Zurechnungsunfähigkeit nach Paragraf 21/1 StGB in Betracht gekommen. Der Mann habe seiner Anwältin gegenüber „von schwarzen Gestalten“ gesprochen, die ihn verfolgen würden. Er hätte ein „völlig irrationales Verhalten“ an den Tag gelegt. „Es bleiben durchaus Zweifel“, meinte Wagner beim Schlussplädoyer.

Der Beschuldigte, der zuletzt während der warmen Monate mit seiner Freundin in einem Abbruchhaus bzw. in einem Zelt auf der Donauinsel gelebt hatte, dürfte dann nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin kurz vor Jahresende auf gut Glück regelmäßig versucht haben, in nicht abgesperrte Häuser in Wiener Bezirken oberhalb der Donau einzudringen, um an Lebensmittel und einen Schlafplatz zu gelangen. Dazu lehnte er sich fest an die Türen, gingen diese auf, drang der Mann ein. Der nicht sehr große, aber gedrungene Mann dürfte in beiden Fällen die körperlich unterlegenen Opfer überrascht und gleich angegriffen haben.

Zufallsopfer „zur falschen Zeit am falschen Ort“

Es sei „nicht in Worte zu fassen“, was an diesen Abenden passiert sei, sagte die Staatsanwältin auch in ihrem Schlussplädoyer. „Weil es keine Worte für diese Brutalität gibt.“ Die Getöteten seien Zufallsopfer gewesen. „Sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Der Beschuldigte habe aus „sadistischer, empathieloser und kaltblütiger Mordlust“ gehandelt, sagte die Staatsanwältin. Sogar erfahrene Ermittler seien aufgrund der brutalen Tathandlungen erschüttert gewesen. Auch der Richter sprach von einem „unglaublichen Ausmaß an Brutalität“, als er den Geschworenen die Tatortbilder zeigte.

Der Angeklagte drang in der Silvesternacht in das Haus des Apothekers ein, nachdem dieser von einer Feier bei einem befreundeten Ehepaar kurz nach Mitternacht heimkehrte. Zunächst suchte der 51-Jährige im Erdgeschoß nach Alkoholika, die er in einer Tragetasche sammelte, ehe er in die Einlegerwohnung in den ersten Stock ging. Dort ging er sofort brutal auf den Pharmazeuten los. Die Leiche des Mannes wies massive Kopfverletzungen sowie Misshandlungsspuren am ganzen Körper auf. Der 74-Jährige war an den Beinen gefesselt worden. Drei Stunden hielt sich der Angeklagte nach der Tat im Haus des Apothekers auf und verköstigte sich. Er duschte dort sogar und kleidete sich neu ein. Als er ging, nahm er die Geldbörse und die Schuhe des Opfers mit.

Der Tote wurde schlussendlich von dem befreundeten Ehepaar gefunden, mit dem der Apotheker schon Silvester gefeiert hatte. Sie machten sich Sorgen, weil der 74-Jährige am 1. Jänner nicht erreichbar war. Traditionellerweise wollten sich die drei gemeinsam im Fernsehen das Neujahrskonzert ansehen.

Nach der Tat fuhr der Pole nach Graz, dort versuchte der Mann mit der Bankomatkarte des Getöteten Geld abzuheben. Wann der 51-Jährige wieder nach Wien reiste, war laut Gericht nicht mehr nachzuvollziehen. Am Abend des 7. Jänner drang er schließlich in das Haus der 31-Jährigen in Floridsdorf ein und attackierte die Frau mit massiven stumpfen Schlägen gegen den Kopf und mehreren Messerstichen, während sich ihre Kinder im ersten Stock aufhielten. Die junge Mutter starb in der Nacht auf 8. Jänner. Auch in diesem Fall soll der Angeklagte zumindest eine Zeit lang im Haus geblieben und reichlich Alkohol konsumiert haben. Wieder wechselte er die Schuhe und nahm die Pantoffeln des Ehemannes des Opfers mit. Dieser entdeckte seine tote Frau, als er am Nachmittag nach der Tat von einem Skiurlaub zurückkehrte. Er wunderte sich noch, dass ihm niemand begrüßte und die Tür offen stand. Die Kinder befanden sich da noch im Haus.

Von Journalisten am Tatort bemerkt

Der Verdächtige konnte noch am Abend des 8. Jänner festgenommen werden. Denn obwohl nach dem zweiten Tötungsdelikt die Polizei im Haus der Jungfamilie war, kehrte der 51-Jährige abends nach Abschluss der Spurensicherung erneut zum Tatort zurück. Um 21.45 Uhr klopfte er sogar an die Tür des Hauses, wobei er von Journalisten, die über den Fall berichteten, bemerkt wurde. Den Reportern kam das komisch vor, sie fuhren in die nächstgelegene Polizeiinspektion und zeigten das Geschehene an. Eine Stunde später drang der 51-Jährige sogar durch ein Kellerfenster in das Haus ein, wobei er da von den alarmierten Beamten erwischt und festgenommen wurde. Er hatte bei einer Untersuchung in der Haft 2,9 Promille Alkohol im Blut.

Ursprünglich war die Verhandlung für zwei Tage anberaumt. Allerdings wurde auf die Zeugenaussage der Freunde des Apothekers und des Ehemannes der 31-Jährigen einvernehmlich verzichtet. Das Gericht wollte ihnen den Auftritt bei Gericht aufgrund der psychischen Belastung ersparen. Ihre Einvernahmen wurden schriftlich verlesen, deshalb konnte das Prozessprogramm schneller abgespult werden. Den Angehörigen beider Familien wurden mehr als 200.000 Euro Schmerzengeld zugesprochen. Ob der 51-Jährige das jemals zahlen wird können, war fraglich. (APA)

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